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Figurenanalyse Die Persönlichkeitsmerkmale und die Machtkonstellation zwischen dem Unternehmer und seinem Chauffeur im Film „Parasite“ von Bong Joon Ho (2019) (Myrto Larsen)

Einleitung:

Der Film „Parasite“ handelt von zwei Familien, die sich spiegelbildlich gegenüberstehen: Familie Kim, die in ärmlichen Verhältnissen lebt und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, und die wohlhabende Familie Park, die in einem luxuriösen Anwesen lebt. Familie Kim gelingt es, sich mit viel List und Tücke in das Haus der Familie Park einzuschleichen, indem sie jeden Posten des Haushalts nach und nach mit einem weiteren Familienmitglied besetzt. In der zu untersuchenden Szene treffen die beiden Familienväter aufeinander, der eine, Kim Ki-taek, der erst vor Kurzem zum Chauffeur gemacht wurde, der andere sein Chef, der Großunternehmer Park Dong-ik, der von ihm nach Hause gefahren wird. Die Szene bietet sich besonders für die Analyse mit welchen filmischen Mitteln die Persönlichkeitsmerkmale der Rolle des Unternehmers und des Chauffeurs sowie deren Machtkonstellation dargestellt werden.

Beschreibung der Handlung

Der Unternehmer Park sitzt im Fond seines Wagens. Seine Kleidung ist elegant, sein dunkler Anzug ist maßgeschneidert und sitzt perfekt: ein schneeweißes Hemd mit offenem Kragen, eine teure Armbanduhr, ein gepflegter Haarschnitt und seine sportlich-athletische Figur runden den Eindruck eines erfolgreichen Unternehmers ab.

Herr Kim richtet den Blick auf seinen Chauffeur. Er spricht diesen direkt an, weil er Hunger auf Rippchen hat und das passende Restaurant für dieses Gericht finden möchte. Die Kamera zeigt uns seinen Dialogpartner Herrn Kim von hinten, er sitzt am Steuer und fährt. Die Lichtverhältnisse sind extrem dunkel und unterstreichen die Fahrt am späten Abend.

Als vermeidlich ortskundiger Chauffeur kennt Herr Kim „natürlich“ ein Restaurant, das gute Rippchen zubereiten kann. Er nimmt zur Kenntnis, dass sein Arbeitgeber auswärts essen wird. Sein Arbeitgeber kann sich sein großes Verlangen nach Rippchen nicht erklären und sinniert über dessen Ursache. Er beginnt mit einem Selbstgespräch und findet die Antwort. Die Haushälterin konnte fantastische Rippchen zubereiten. Für Herrn Park hat die Haushälterin ohne ersichtlichen Grund gekündigt. Seine Frau hat ihn auch nicht weiter informiert, dieser Gedanke irritiert ihn kurzfristig. Er vermisst die Qualitäten der Haushälterin und vor allem ihr Gefühl für Hierarchien.

In der Einstellung 00:45:22 sehen wir zum ersten Mal den Chauffeur vom Beifahrersitz aus. Er versucht, dem Gespräch über den Blick in den Rückspiegel zu folgen. Er steuert das Auto mit beiden Armen. Sein Profil ist sanft beleuchtet, die Gesichtszüge sind konzentriert. Sein anthrazitfarbiges Jackett ist zu sehen. Die Ärmel sind etwas zu kurz geraten. Er trägt ein dunkles Hemd mit geöffneten Kragen. Seine Bekleidung kommt einer Chauffeuruniform sehr nahe, jedoch ohne die Perfektion eines professionellen Fahrers zu erreichen. Der Stoff des Anzugs ist grob, außerdem fehlt die Schirmmütze. Man könnte ihr Fehlen als einen Mangel sehen oder als eine moderne Definition dieser Berufsbekleidung. Vom perfekten Stilgefühl seines Arbeitgebers ist Herr Kim jedoch weit entfernt.

00:45:32 Beflügelt durch das gemeinsame Lachen überspringt Herr Kim die Distanz und wird zum aktiven Gesprächspartner. „Dann sollte sich Madame um eine andere Haushälterin bemühen. Eine würdige Nachfolgerin.“ Die Kamera ist auf seinem Hinterkopf gerichtet, sie nimmt eine neutrale Position ein und zeigt den sprechenden Chauffeur, der seinen Blick von der Straße abwendet und in Richtung Seitenfenster blickt.

Herr Park führt das Gespräch fort, sein Gesicht wird seitlich von vorne gezeigt und ist sanft beleuchtet. Den Blick nach innen gewendet führt er einen Monolog mit sich selbst. (00:45:37). Er sinniert über die nicht vorhandenen Fähigkeiten seine Ehefrau im Haushalt. Die Kamera wird Zeuge seines Ekels, sein Widerwille drückt sich körperlich aus. Das Gesicht verzerrt sich, ein kalter Lichtstrahl betont die verkrampften Gesichtszüge. Der Oberkörper schüttelt sich merklich, ein Rauschen der Kleidung betont die Bewegung. Das Profil ist in ständiger Bewegung zur Straße hin und wieder in den Innenraum. Die Blickrichtung ist ziellos.

Gefangen durch die Verfolgung dieses Monologs werden unsere Gedanken jäh unterbrochen.

Kim: „Aber Sie lieben sie doch, oder?“ Kim dreht dabei seinen Kopf weit nach rechts in Richtung Beifahrersitz, seine Konzentration ist nach hinten gerichtet.

Es folgt eine Pause. Dabei schwenkt die Kamera vom Hinterkopf des Chauffeurs zu einer Nahaufnahme auf Herrn Park. Die Pause erscheint uns extrem lang bis nach einem künstlichen Lachen die Situation entkrampft. „Selbstverständlich“, kurze Pause, „ich liebe sie.“ „Das was man so Liebe nennt.“ Ein verächtliches Schnaufen begleitet den letzten Satz. Gleichzeitig trommelt Park nervös mit den Fingern der rechten Hand auf seinen Oberschenkel.

Herr Kim (00:46:11) nutzt die Situation, um sein Anliegen voranzutreiben. Er zieht aus seiner Jackentasche eine Visitenkarte. Das Oberlicht am Rückspiegel beleuchtet die Handlung und lässt die Karte strahlen. „Vielleicht kann ich ihnen hiermit helfen?“ Die Kamera zeigt ihn erst von hinten, dann die Übergabe der Visitenkarte an Herrn Park an der Grenze zwischen Vordersitz und Fond der Limousine als Detailaufnahme. Kims Hand hält die Visitenkarte zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand und reicht sie am Beifahrersitz vorbei nach hinten weiter. Hand und Karte (Großaufnahme) sind von links beleuchtet. Herr Park übernimmt die Visitenkarte auf der Höhe der Beifahrer Rückenlehne, die Aufnahme ist jetzt verschwommen und weniger beleuchtet. Der Zuschauer kann den Namen der Firma „The Care“ deutlich lesen, bevor sie Herr Park die Karte in die Hand nimmt.

„The Care, was soll das sein?” fragt Herr Park und blickt dabei interessiert auf die Karte. Der Chauffeur informiert ihn wie folgt:
Kim:
„Diese Agentur ist mir auch seit kurzer Zeit bekannt.“
„Tja, wie beschreibe ich das.“
„Die betreiben einen Service auf Mitgliederbasis.“
„Hochgestellte Persönlichkeiten, wie Sie können sich dort Angestellte vermitteln lassen.“
„Also gut ausgebildete Fachkräfte.“
„Zum Beispiel so was wie Krankenpfleger oder eben Haushaltshilfen oder Fahrer wie ich.“

Die Kamera zeigt uns den Chauffeur von hinten. Er wendet den Kopf immer wieder seitlich nach hinten, um der Kontakt zu Herrn Park optisch zu halten. Dabei vernachlässigt er seine Aufgabe als Fahrer. Die Kamera zeigt zwischendurch Herrn Park. Er wendet die Karte zwischen seinen Fingern hin und her. Die Lichtverhältnisse sind dabei recht dunkel, keine der Bewegungen wird optisch unterstrichen.

Park: „Sagen Sie mal, woher kennen Sie diese Agentur.“
Kim: „Nun, jemand von denen hatte mich angerufen, weil ich auch ein hochqualifizierter Fahrer bin. Das war so eine Art Headhunter“
Kim: „Das war aber, nachdem ich bereits erfolgreich das Vorstellungsgespräch bei ihnen hatte, Herr Park.“
Park: „Ich verstehe, und dieser berühmten Agentur haben sie meinetwegen abgesagt?“
Park: „Das werde ich Ihnen nie vergessen.“
Kim: „Das will ich doch hoffen!“

Dieser Dialogteil findet in einer gelockerten Atmosphäre statt. Herr Park sitzt nicht mehr gerade im Fond, seine rechte Schulter lehnt an der Autotür. Herr Kim wendet den Kopf immer wieder nach hinten und sucht den direkten Augenkontakt. Herr Park ist deutlich zufrieden über das unterschwellige Kompliment und zeigt ein belustigtes Lachen. Es folgt eine dynamische Bewegung des Oberkörpers nach vorne, die akustisch mit einen lauten Rascheln begleitet wird. Es ist eine Art Verneigung im Sitzen.

Diese gelockerte Atmosphäre wird abrupt beendet (00:47:11). Ein schwach vernehmbares Hupsignal kündigt die Gefahr an. Ein Lastwagen überholt und schneidet den Mercedes. Die Unachtsamkeit des Chauffeurs hätte fast ein Unglück verursacht. Anscheinend war der LKW Fahrer so verärgert über die Fahrweise, dass er riskant überholen musste.

„Hey, hast du einen Knall, du Arschloch!“ Herr Kim fällt, mit diesen Ausruf, deutlich aus seiner Rolle heraus mit diesem Ausruf. Die Stimmung kippt, obwohl der Dialog noch zu Ende geführt wird. Herr Park hat seine Sitzposition der Entspannung nicht verändert, aber seine Gesichtszüge sind ernst und verschlossen.


Park: „Ich nehme an, die Karte darf ich an meine Frau weiterreichen. (Pause) Ja?“
Kim: „Ja, selbstverständlich. Deswegen habe ich sie Ihnen ja gegeben. (Pause) Äh – Mich müssen sie ja nicht erwähnen. (Pause) Sie haben die Firma selbst herausgefunden.“
Park: „Ja, gute Idee. Das gibt Pluspunkte als treusorgender Ehemann.“
Kim: „Die Telefonnummer, ich glaube, die müsste auf der Rückseite stehen. Die soll sie anrufen, das ist der Berater…..“

Der Beinaheunfall hat Herrn Kim nicht aufgerüttelt. Er führt den Dialog genauso weiter wie zuvor. Sein Blick geht immer wieder nach hinten, sein Verhalten ist einem hochqualifizierten Chauffeur nicht angemessen. Noch dazu unterstellt er seinen Arbeitgeber eine gewisse Unfähigkeit, die Telefonnummer der Firma zu finden. Er ist darin gefangen, seinen Familienauftrag zu Ende zu führen.

Der Lastwagen ist als Kipppunkt zu betrachten, der die soziale Ordnung wiederherstellt. Herr Park fällt ihm ins Wort und erinnert ihn an seine Position. Das Gespräch wird damit beendet.

Park: „Schauen sie lieber nach vorn.“(00:47:38)

Der Chauffeur ist fast nicht mehr zu sehen und aus dem Off erklingt ein Klingelton (00:47:40), der die Szene im Auto beendet. Nach einem Schnitt wird in Detaileinstellung ein klingelndes und vibrierendes Handy mit der Aufschrift „The Care“ gezeigt (00:47:41). Das Sonnenlicht als Lichtquelle definiert den Wechsel der Tageszeit.

Analyse der Personen und ihrer Interaktion

Die beschriebene Szene zeigt die Interaktion zweier Filmfiguren mit unterschiedlicher persönlicher Intention.

Herr Kim hat zwei Aufträge zu erledigen. Zum einen seine Aufgabe als Chauffeure und zum anderen die Umsetzung des Familienauftrags, seiner Ehefrau und Mutter seiner zwei Kinder den Posten als Haushälterin zu ermöglichen..

Herr Park ist ein Unternehmer am Ende eines langen Arbeitstages. Er ist hungrig und verärgert, weil sein häusliches Umfeld nicht seinen gewohnten Lauf nimmt. Seine Bequemlichkeit ist durch die Kündigung seiner Haushälterin bedroht. er befürchtet Schreckliches, da er seiner Ehefrau so gut wie keine Fähigkeiten in diesem Bereich zutraut.

Die zwei agierenden Figuren repräsentieren die „Oberhäupter“ zweier Familien aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Die Konstellation der Familien ist völlig identisch und besteht aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Aus der bisherigen Narration weiß der Zuschauer, dass der Familie Kim der aktive, handlungsantreibende Teil zugesprochen wird. Vor allem der Sohn hat einen Plan, den er mit Hilfe der anderen umsetzt. Traditionsgemäß müsste der Vater einen Lebens- und Aktionsplan haben, nur in diesem Fall ist Herr Kim eher Schicksalsergeben und träge. Er überlässt seinen Kindern das Handeln, wenn ihn seine Ehefrau nicht erden würde, würde er auch problemlos deren Lorbeeren ernten.

Auch wenn der Sohn Kim Ki-woo den Plan definiert und umsetzt, ist sein Vater Kim Ki-taek der Protagonist der Filmhandlung. Seine Präsenz ist durchgehend, er fehlt in keiner wichtigen Einstellung. Sogar zum Ende der Filmhandlung bestimmt er die Gedankenwelt des Sohnes aus dem Off.

Agieren der Figuren im Raum:

Das Setting dieser Szene ist ein geschlossener Raum. Die Außenwelt gleitet als Film vorbei und zeigt die Straßen eine Großstadt in der Nacht. Der Hintergrund dient als Dekoration, Definition der Bewegung. Seine wichtigste Bedeutung ist die punktuelle Beleuchtung der Figuren in der Dunkelheit.

Die Enge des Autoinnenraums vermittelt eine intimen Nähe, keine Figur kann dieser Situation ausweichen. Die Zweiteilung des Raumes in Fahrerbereich und Rücksitz definiert die hierarchischen Strukturen. Der Chauffeur hat die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Dienstherr sitzt entspannt im Fond am Ende eines harten Arbeitstages. Die Lehnen der Vordersitze bezeichnen die Grenze der Kommunikation und sozialen Berührung. Die Rolle der zwei Akteure ist klar erkennbar. Hier ist das Rollenverhalten der Figuren klar als Vertrag definiert. Herr Park betont diese Abkommen auch mit seiner verbalen Gewichtung der Grenze im Arbeitsverhältnis, indem er die Fähigkeiten der ehemaligen Haushälterin diesbezüglich lobt. Er zeigt damit seine soziale Überheblichkeit und sein Selbstverständnis über seine Rechte aus seiner hohen sozialen Stellung.

Die Dialoge

Anderseits ist das Auto der einzig mögliche Kommunikationsraum zwischen einem Chauffeur und seinem Dienstherrn. Das Gesetz der Kommunikation ist klar. Der Chef führt das Gespräch an, der Angestellte ist höchstens sein Resonanzboden und antwortet nur auf Nachfrage. Die vielen Füllwörter wie äh, ha, mm unterstreichen die Position des Chauffeurs.

Das Gespräch beginnt vergleichsweise harmlos. Herr Park beginnt den Dialog mit der Frage nach einem Restaurant, das in der Lage ist, gute Rippchen zu zubereiten. An diese Frage schließt sich ein Monolog an, dessen Hauptaussage die Definition der gesellschaftlichen Grenze beinhaltet.

Die Kündigung der Haushälterin zwingt Herrn Park, in die Aktionswelt seiner Ehefrau, gedanklich einzutauchen. Dieses Neuland verunsichert ihn, sein häuslichen Frieden könnte darunter leiden. Es verführt ihn zur verbalen Überschreitung der Grenze zwischen Dienstherrn und Personal, indem er seine intimen Gefühle der Angst, der Unsicherheit und des Ekels sowohl in Wort als auch mit Gesten mitteilt. Er öffnet damit das Tor zu einer unpassenden Kommunikation.

Herr Kim kann dieser Steilvorlage nicht widerstehen. Mit seiner Aussage „Aber sie lieben sie doch“ überschreitet er deutlich seine Kompetenzen. Er fällt aus seiner Rolle und zeigt seine Unterschichtvorstellung von Familiensolidarität und romantischer Liebe.

Herr Park zeigt sich irritiert über diese Dreistigkeit, lässt aber den Faux pas kommentarlos geschehen und beantwortet sogar die Frage. Er zeigt dabei eine abgeklärte, nicht unbedingt charmante Vorstellung der ehelichen Liebe („Was man so Liebe nennt“). Der Dialog wird nicht unterbrochen, das Gespräch nimmt seinen Lauf.

Zum Ende der Szene überschreitet Herr Kim zum zweiten Mal verbal die Grenzen seines Standes und seiner Rolle. Er unterstellt seinem Chef verbal die Unfähigkeit, eine Telefonnummer auf einer Visitenkarte zu finden. Dieses Mal wird seine Aussage sofort geahndet, der Dialog wird abrupt beendet. („Schauen sie lieber nach vorn!“). Der Chauffeur wird an seine Pflichten erinnert, die Hierarchie ist wiederhergestellt.

Körperbewegung und Mimik

Die Enge des Raumes erlaubt keine ausschweifenden Bewegungen. Umso wichtiger ist es, die Feinheiten der kleinen Bewegungen wahrzunehmen.

Park Dong-ik
Herr Park sitzt scheinbar entspannt im Fond des Mercedes. Er ist nicht angeschnallt, seine Beine sind überschlagen. Seine rechte Hand trommelt leicht auf seinem rechten Knie. Die Handbewegung zeigt seine emotionale Betroffenheit und konterkariert seine vorgebliche Coolness. Am deutlichsten wird sein Stress bei der Frage, ob er seiner Frau Liebe zeigt. Das Trommeln seiner Finger wird sehr intensiv und verursacht eine nagelnde Geräuschkulisse.

Parks auffälligste Bewegung ist eine affektierte, stilisierte Verbeugung im Sitzen. Das Vorbeugen verursacht ein raschelndes, lautes Geräusch und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Des Weiteren untermauert und ironisiert diese Bewegung seinen Stolz, als herausragende Persönlichkeit zu gelten. („Ich verstehe, und dieser berühmten Agentur haben sie meinetwegen abgesagt? “ 00:47:00) Das untergründige Kompliment seines Chauffeurs geht nicht spurlos an ihm vorbei und zeigt die ausgeprägte Überheblichkeit des Unternehmers. Die Manipulation zeigt ihre Wirkung, Herr Kim ist seinem Ziel näher gekommen, indem er die Eitelkeit seines Dienstherrn befriedigt hat.

Daraufhin ändert sich die Sitzhaltung. Sie zeigt ein körperliches Wohlbefinden. Kopf und rechte Schulter lehnen an der Autotür. Herr Park hat eine diagonale Sitzposition eingenommen, denn die Beine sind nicht mehr übereinander geschlagen. Er lümmelt sich etwas im Fond des Wagens. Diese Sitzhaltung behält er bis zum Ende der Szene bei.

Parks Kopf ist in ständiger Bewegung. Mal blickt er zum Fenster und dann wieder in den Innenraum. Der Blick geht dabei meistens ins Leere. Nur selten vermittelt die Blickrichtung eine bewusste Wahrnehmung seines Gesprächspartners. Die Visitenkarte dagegen bindet seine Aufmerksamkeit. Ihre coole Eleganz begeistert ihn und zeigt seine Verblendung für die Wahrheit hinter dem Schein. Er stellt die Qualität des nicht existenten Unternehmens „The Care“ nicht in Frage. Seine Hände drehen die Karte hin und her, spielerisch nimmt er ihre Schönheit auf und er kann sich nicht daran sattsehen. Die Lächerlichkeit der Aktion ist eine deutliche Kritik der vermögenden Schichten.

Kim Ki-taek
Der hochqualifizierte Chauffeur gibt sich große Mühe, seiner Rolle gerecht zu werden. Seine Kleidung ist korrekt, die Farben gedeckt. Hemd und Jackett in dunklen Grautönen. Die Ärmel etwas zu kurz, das Material grob, sie lassen den Blick der Kamera nicht verweilen. Nur sein Gesicht und seine Hände reflektieren das Licht und binden die Aufmerksamkeit des Betrachters. Mit anderen Worten, er kann nur über seine Gesichtszüge Emotionen ausdrücken. Die Mimik ist ernst und konzentriert. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen und wartet auf das richtige Stichwort, um seinen Plan umzusetzen.

Bis zu seiner Grenzüberschreitung („Aber sie lieben sie doch?“ 0045:53) hält er sich an den Kodex eines zuverlässigen Chauffeurs. Der eingeübte Habitus funktioniert, und sein Dienstherr zeigt körperlich sein Vertrauen, indem er entspannt im Fond des Wagens seinen Gedanken nachgeht. Der reflektierte Monolog ist die Normalität des Arbeitsverhältnisses. Die falsche Einschätzung der Harmonie verleitet Kim, die Grenze zu überschreiten und seinen Plan, seiner Ehefrau einen Arbeitsplatz zu vermitteln, in Angriff zu nehmen.

Er übernimmt die Kommunikation und übergibt die Visitenkarte „The Care“ in den Fond des Wagens. Die Rückenlehne der Vordersitze bestimmt optisch die soziale Grenze und diese wird hier demonstrativ überschritten.

Es folgt seine verbal begleitende Erklärung zur Firma „The Care“. Herr Kim spult seinen Text professionell ab, die Pausen des Nachdenkens sind perfekt geplant. Seine Körperhaltung ist angespannt und konzentriert. Sein Blick geht immer wieder zur Seite, er spricht mit einer fiktiven Person im Beifahrersitz. Seine Gebärden steigern sich. Eine Hand verlässt das Lenkrad und gestikuliert mit größer werdenden Bewegungen. Er steigert sich immer weiter hoch, bis er komplett seine Pflicht als Fahrer vergisst und seinen Kopf direkt nach hinten wendet („gut ausgebildete Fachkräfte…“ 00:46:36).

Der dramaturgische Höhepunkt seiner Erklärung ist einerseits die Definition des Herrn Park als eine hochgestellte Persönlichkeit und anderseits die Verstärkung dieser Aussage. Er, der hochqualifizierte, wissende Chauffeur hat seine Wahl selbstständig getroffen und damit seinen Arbeitgeber geadelt. Herrn Parks Schwäche, sein Standesdünkel und sein überzogenes Ego wurden klar erkannt und zur Waffe der erfolgreichen Manipulation eingesetzt.

Berauscht von seinem Erfolg verliert Herr Kim fast die Kontrolle über sein Fahrzeug und bringt damit alle in Gefahr. Er hat seinen Status als Chauffeur nicht ausreichend internalisiert, er ist der Situation nicht gewachsen. Die soziale Ordnung wird durch Herrn Park wieder eingesetzt.

Kamera, Beleuchtung, Farbe

Die Lokation erlaubt für die Kamera Einstellungsgrößen nur Nahaufnahmen bis Detailaufnahmen. Die Kamerapositionen P 1 bis P 5 sind statisch. Die einzelnen Sequenzen wechseln regelmäßig zwischen den Einstellungen hin und her, ohne jedoch eine Unruhe zu vermitteln. Es ist eher der Blick eines beobachtenden Zuschauers, dem nichts entgehen soll.

Die erste Grenzüberschreitung des Herrn Kim gewichtet die Kamera mit einem Schwenk. Ausgehend vom Profil des Fahrers („Aber sie lieben sie doch!“) leitet der Schwenk direkt auf das irritierte Gesicht des Herrn Park und verweilt dort. Ohne in die Großaufnahme überzugehen, werden emotionale Aussagen mit leicht gezoomten Einstellungen der Nahaufnahmen begleitet.

Die Detailaufnahmen gehören der Visitenkarte. Sie ist das Zentrum der Manipulation. Sie hat für jede Filmfigur eine andere Bedeutung. Herr Kim zieht sie aus seiner Jackettasche, mit einer schon im Voraus geplanten Handlung reicht er sie nach hinten. Herr Park übernimmt die Karte und lässt sich von ihrer Schönheit einnehmen. Sie verheißt ihm die Lösung seines persönlichen Problems. Die intensive und unterschiedliche Beleuchtung der Karte hebt ihre Bedeutung hervor.

Die Lichtinszenierung der Szene ist ausgeklügelt. Wir befinden uns in einem angeblich fahrenden Auto. Der Hintergrund suggeriert die Fahrt durch nächtliche Straßen einer Stadt mit deren unterschiedlichen Beleuchtungsstärken. Der gesamte Eindruck ist bei oberflächlicher Betrachtung äußerst natürlich und logisch. Für Studioaufnahmen spricht die Tatsache, dass besonders Lichtaspekte die Gefühlsäußerungen der handelnden Personen unterstreichen. Zeigt Herr Park ein Ekelgefühl, blitzt durch die Straßen- und Reklamelichter gleichzeitig sein Gesicht auf. Nimmt Herr Kim die Visitenkarte aus seinem Jackett, brennt die Innenbeleuchtung des Wagens, um die Karte in den Mittelpunkt zu rücken.

Verlaufen die Dialoge in normalen Bahnen, wie zum Beginn der Szene, sind Gesicht und Hände als die wichtigsten Reflexionsflächen in einem warmen gelblichen Licht eingetaucht. Mit der persönlichen Meinung des Herrn Park zur Haushälterin, wechselt das Akzentlicht zu einem leicht grünlichen und härteren Lichtschein. Später überwiegen die blauen Anteile des Lichts. Die Dramaturgie des Lichts wird mit ihrer gesamten Vielfalt eingesetzt, natürlich angepasst an die überschaubare kleine Szenenlokation.

Das Prinzip des Wechsels zwischen warmem und kaltem Akzentlicht zur Unterstreichung der Persönlichkeit trifft auch auf Herrn Kim zu. Bei ihm flackert das Licht stärker, um seine Anspannung zu definieren. Die Klarheit seiner Gesichtszüge wird bei der Wiederherstellung der sozialen Hierarchie von mehr Dunkelheit verschluckt. Song Kang-hos runde Gesichtsform birgt eine geringere Angriffsfläche für Schattenbildung.

Die Fahrt während der Nacht verschluckt die meisten Farben. Nur die Stadtbeleuchtung weist punktuell ein paar Farbtöne auf. Die Dunkelheit und schwarzweiße Dominanz leiten den Blick in das Innere der handelnden Personen. Der kleine Raum verstärkt diesen Eindruck. Seine engen Grenzen bieten keine Fluchtmöglichkeit vor der Wahrheit. Die Charaktere müssen sich offenbaren. Die Dunkelheit verstärkt die Eindimensionalität des Denkens und der Vorurteile, die damit verbunden sind.

Fazit Die ausgewählte Szene im Film „Parasite“ von Bong Joon Ho zeigt die Konzentration auf zwei Familienoberhäupter und ihre Kommunikation in Angesicht ausgeprägter Standesunterschiede. Es ist eine Gegenüberstellung der Charaktere auf engsten Raum mit einer gesellschaftskritischen Figurenkonstellation. Die Rollendefinition der Figuren ist Unternehmer/Chauffeur, Herr/Diener, arm/reich, ohne/mit Existenznot. Herr Park wird charakterisiert durch sein Auftreten, seine Gesten, seine Wortwahl und sein Outfit als eine erfolgreiche und gesellschaftlich anerkannte Persönlichkeit, die sich noch dazu Hochnäsigkeit erlauben kann. Die unüberwindbare soziale Grenze zur schwächeren gesellschaftlichen Gruppe sieht er als sein soziales Grundrecht an. Er fühlt diese Überheblichkeit nicht einmal, sie ist für ihn ein selbstverständliches Privileg seiner Stellung. Unter normalen Bedingungen würde er mit seinem Chauffeur nicht kommunizieren, aber seine Welt ist in Unordnung geraten. Er persönlich kennt nicht den Grund für diese tiefgreifende Veränderung. Park als Arbeitgeber zeigt kein sozial problematisches Verhalten. Er behandelt sein Personal angemessen und zahlt ein anständiges Gehalt. Seine Charakterschwäche ist seine Überheblichkeit und sein überzogenes Selbstwertgefühl. Diese Schwäche ist der strategische Angriffspunkt der Familie Kim, um Herrn Park in ihrem Sinne zu manipulieren. Diese Aufgabe fällt dem Chauffeur Kim als Vertreter der Familie zu. Er hat sein Auftreten als qualifizierter Chauffeur eingeübt und wartet auf sein Stichwort um in Aktion zu treten. Äußerlich ist er seiner Position angemessen angezogen. Er gibt sich Mühe, den richtigen Habitus darzustellen. Unter der für ihn stressigen Situation verliert er jedoch die verbale und körperliche Kontrolle, die seiner Position angemessen ist. Er überschreitet Grenzen, die die soziale Ordnung aufweichen und wird deswegen auch zurechtgewiesen. Trotzdem ist er erfolgreich und erreicht sein Ziel. Die perfekte familiäre Vorbereitung und das tiefgreifende Wissen des Überlebenskünstlers aus der untersten Schicht lassen ihn als Sieger hervortreten. Er setzt seine Trumpfkarte (Visitenkarte) zum richtigen Zeitpunkt ein und nutzt damit die Verblendung des Überheblichen für sich aus. Wie in allen seinen Filmen greift Bong Joon Ho auch hier das kapitalistische Klassensystem an. Er zeigt den Etablierten in seiner gesellschaftlichen Ignoranz und Überheblichkeit. Die tiefe Überzeugung des eigenen Wertes, ohne eine Gegenleistung anbieten zu müssen, prägt sein gesellschaftliches Verhalten. Auf der anderen Seite stehen die Verlierer des Systems. Sie sind ständig mit dem Überleben beschäftigt und haben so gut wie keine Chancen aufzusteigen. Ihr Leben in extremen sozialen Verhältnissen hat ihre Sinne für menschliches Verhalten und dessen Schwächen gestärkt. Dieses Wissen setzen sie ein, um andere zu manipulieren, damit sie ihre Ziele erreichen können. Trotz ihres Kalküls, ihrem Talent für die Trickbetrügerei, ihrer Skrupellosigkeit sind die Erfolge nur von kurzfristiger Natur. Das Establishment siegt durch seine ewige Wiederkehr.

Fazit

Die ausgewählte Szene im Film „Parasite“ von Bong Joon Ho zeigt die Konzentration auf zwei Familienoberhäupter und ihre Kommunikation in Angesicht ausgeprägter Standesunterschiede. Es ist eine Gegenüberstellung der Charaktere auf engsten Raum mit einer gesellschaftskritischen Figurenkonstellation. Die Rollendefinition der Figuren ist Unternehmer/Chauffeur, Herr/Diener, arm/reich, ohne/mit Existenznot.

Herr Park wird charakterisiert durch sein Auftreten, seine Gesten, seine Wortwahl und sein Outfit als eine erfolgreiche und gesellschaftlich anerkannte Persönlichkeit, die sich noch dazu Hochnäsigkeit erlauben kann. Die unüberwindbare soziale Grenze zur schwächeren gesellschaftlichen Gruppe sieht er als sein soziales Grundrecht an. Er fühlt diese Überheblichkeit nicht einmal, sie ist für ihn ein selbstverständliches Privileg seiner Stellung. Unter normalen Bedingungen würde er mit seinem Chauffeur nicht kommunizieren, aber seine Welt ist in Unordnung geraten. Er persönlich kennt nicht den Grund für diese tiefgreifende Veränderung. Park als Arbeitgeber zeigt kein sozial problematisches Verhalten. Er behandelt sein Personal angemessen und zahlt ein anständiges Gehalt. Seine Charakterschwäche ist seine Überheblichkeit und sein überzogenes Selbstwertgefühl.

Diese Schwäche ist der strategische Angriffspunkt der Familie Kim, um Herrn Park in ihrem Sinne zu manipulieren. Diese Aufgabe fällt dem Chauffeur Kim als Vertreter der Familie zu. Er hat sein Auftreten als qualifizierter Chauffeur eingeübt und wartet auf sein Stichwort um in Aktion zu treten. Äußerlich ist er seiner Position angemessen angezogen. Er gibt sich Mühe, den richtigen Habitus darzustellen. Unter der für ihn stressigen Situation verliert er jedoch die verbale und körperliche Kontrolle, die seiner Position angemessen ist. Er überschreitet Grenzen, die die soziale Ordnung aufweichen und wird deswegen auch zurechtgewiesen. Trotzdem ist er erfolgreich und erreicht sein Ziel. Die perfekte familiäre Vorbereitung und das tiefgreifende Wissen des Überlebenskünstlers aus der untersten Schicht lassen ihn als Sieger hervortreten. Er setzt seine Trumpfkarte (Visitenkarte) zum richtigen Zeitpunkt ein und nutzt damit die Verblendung des Überheblichen für sich aus.

Wie in allen seinen Filmen greift Bong Joon Ho auch hier das kapitalistische Klassensystem an. Er zeigt den Etablierten in seiner gesellschaftlichen Ignoranz und Überheblichkeit. Die tiefe Überzeugung des eigenen Wertes, ohne eine Gegenleistung anbieten zu müssen, prägt sein gesellschaftliches Verhalten.

Auf der anderen Seite stehen die Verlierer des Systems. Sie sind ständig mit dem Überleben beschäftigt und haben so gut wie keine Chancen aufzusteigen. Ihr Leben in extremen sozialen Verhältnissen hat ihre Sinne für menschliches Verhalten und dessen Schwächen gestärkt. Dieses Wissen setzen sie ein, um andere zu manipulieren, damit sie ihre Ziele erreichen können. Trotz ihres Kalküls, ihrem Talent für die Trickbetrügerei, ihrer Skrupellosigkeit sind die Erfolge nur von kurzfristiger Natur. Das Establishment siegt durch seine ewige Wiederkehr.

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