geheimnisvoller_prolog:analyse_der_1._sequenz_des_films_ema_von_pablo_larrain_brigitte_anthes-kettler
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Im Folgenden soll untersucht werden, wie wir in dieser 1. Sequenz audiovisuell in die diegetische Welt des Films eingeführt werden. | Im Folgenden soll untersucht werden, wie wir in dieser 1. Sequenz audiovisuell in die diegetische Welt des Films eingeführt werden. | ||
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+ | **2. Beschreibung** | ||
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+ | 00:00:20 | ||
+ | \\ Der Film beginnt mit schwarzer Leinwand, der Ton geht im J-Cut dem Bild voraus. Man hört nur ein lautes Knistern, wie von Feuer, in das sich leise Hintergrundgeräusche mischen – ganz nah: das Flattern von Vogelflügeln und Zwitschern von Spatzen, entfernt: Möwenschreie, | ||
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+ | 00:00:46 | ||
+ | \\ Dieser diegetische off-sound wird nun, zunächst kaum wahrnehmbar, | ||
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+ | 00:01:00 | ||
+ | \\ Über dem düsteren Begleitton setzt jetzt, im Charakter einer großen Streichergruppe, | ||
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+ | 00:01:19 | ||
+ | \\ In einem fließenden tracking shot zieht sich die Kamera langsam zurück, so dass links im Bild eine Figur erscheint, an der die Kamera seitlich vorbeifährt und erst knapp hinter ihr stehen bleibt, bis diese vom Kopf bis zur Hüfte zu sehen ist. Die Figur steht uns mit dem Rücken zugewandt auf der Straße und betrachtet ruhig die brennende Ampel. Im schwachen Licht erkennt man nach und nach einen Hinterkopf mit blonden, nackenlangen, | ||
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+ | 00:01:40 | ||
+ | \\ Die Seitenampeln springen auf Grün, die Figur dreht sich links sich zur Seite und geht mit gesenktem Blick an der Kamera vorbei aus dem Bild. Die immer weiter anschwellende Musik setzt sich fort, als die Kamera in einem harten Schnitt abrupt die dunkle Straßenszene verlässt. Sie folgt der Person, indem sie zunächst in Nahaufnahme ihren unteren Rücken mit einem Teil des Metallkanisters zeigt. Im Hintergrund erkennt man unscharf die bläulich-grauen Umrisse eines nach rechts abfallenden Hügels vor einem Himmel, der sich in der Morgendämmerung von unten her leicht rosa und hellblau färbt. Die Figur geht langsam weiter und wendet sich dabei nach rechts. Erst jetzt kann man erkennen, dass es sich um eine schlanke junge Frau handelt. Hinter ihr sind nun das Wasser einer Hafenbucht, eine Kaimauer und die Silhouette von Kränen am anderen Ufer zu sehen. Sie wendet sich nach links, bleibt mit dem Rücken zur Kamera am Hafenkai stehen und schaut über das Wasser. Die Kamera bewegt sich hinter ihr nach rechts und positioniert sie in Halbtotale und leichter Untersicht in der Mitte der Leinwand. In ihrer linken Armbeuge erkennen wir den gewehrartigen Griff eines Flammenwerfers. | ||
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+ | 00:02:05 | ||
+ | \\ Der dröhnende Sound setzt sich fort, als die Leinwand für einige Sekunden schwarz wird. Erst jetzt wird in kleinen Buchstaben der Filmtitel „Ema“ eingeblendet, | ||
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+ | 00:02:20 | ||
+ | \\ Vor dem Eingang zu einem Bürotrakt kontrolliert ein Sicherheitsbeamter ihren Rucksack, den sie bereitwillig vorzeigt, und die Musik hört auf. | ||
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+ | **3. Analyse** | ||
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+ | 26 Sekunden, ungewöhnlich lang, bleibt die Leinwand schwarz. Das laute Knistern eines Feuers schärft das Gehör und die Konzentration, | ||
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+ | Die zunächst klanglich generierte Erwartungshaltung erfährt in der ersten Kameraeinstellung eine überraschende, | ||
+ | \\ Das Straßenbild weist auf ein älteres Stadtviertel mit schmalen Straßen und überwiegend niedriger, historischer Bebauung hin, planlos durchsetzt mit höheren, modernen Gebäuden. Nimmt man die nächste Einstellung hinzu, so ergibt sich das Bild einer alten, von Hügeln umgebenen Hafenstadt am Meer. | ||
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+ | Das Knistern bei schwarzer Leinwand hat die Neugier geweckt, der Anblick der brennenden Ampel hat überrascht und erschreckt. Die Spannung wächst nun durch den Einsatz der elektronischen Musik. Im Verlauf der Sequenz steigert sie sich vom leisen Beginn zum raumgreifenden Crescendo und drängt sich in der Wahrnehmung immer mehr in den Vordergrund. Der düstere Begleitton erzeugt ein Gefühl der Warnung, Bedrohung und Angst, das Sirenenmotiv weist auf Gefahr hin und die fallende Quinte gräbt sich ein als verzweifelter, | ||
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+ | Alle musikalischen Motive sind vorgestellt, | ||
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+ | Die folgenden Einstellungen am Hafen bieten eine weitere Überraschung. Eine zarte junge Frau mit unbewegtem Gesicht posiert in männlicher Kleidung, Bewegung und Haltung. Mit einem Flammenwerfer im Arm überblickt sie breitbeinig als nächtliche Superheldin ihr Reich. Sie ist die Herrin der Stadt, die durch Feuer zerstört und Gesetze bricht. Der Schluss liegt nahe: Sie hat die Ampel in Brand gesetzt. Der Flammenwerfer, | ||
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+ | Größer könnte der Kontrast nicht sein: Ema, gerade noch auf schwarzer Leinwand und mit dröhnender Musikbegleitung als Hauptfigur des Films und Titelheldin namentlich vorgestellt, | ||
+ | Da kann die Musik nur noch kraftlos verklingen. | ||
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+ | **4. Fazit** | ||
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+ | Die Einführung in die diegetische Welt des Films „Ema“ geschieht im Prolog auf verschiedenen Ebenen. Er dient vor allem dazu, uns die Hauptfigur Ema vorzustellen. | ||
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+ | Dazu gehört ihr Lebensraum, die chilenische Hafenstadt Valparaiso, von der uns durch Bild und Ton ein erster Eindruck vermittelt wird. Ein wenig glamouröses Altstadtviertel ist ihr Revier, ebenso die nahegelegene Hafenbucht am pazifischen Ozean. Valparaiso gilt als kulturelle Hauptstadt Chiles, und Ema ist Mitglied eines zeitgenössischen Balletts, das von ihrem Ehemann als Choreograph geleitet wird. Mit ihren Freundinnen tanzt sie privat in einer Reggaeton – Gruppe, die im Film durch die einfachen Viertel streift, die steilen Seilbahnen die Hügel hinauf benutzt und sich gern am Strand und den Hafenmolen aufhält. | ||
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+ | Durch ihr Posieren am Hafen gewinnen wir im Prolog den Eindruck einer anarchischen, | ||
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+ | Das Feuermotiv spielt eine herausragende Rolle im Film. Vor dem Parlamentsgebäude kommt es häufig zu Straßenschlachten zwischen linksgerichteten Demonstranten und der Polizei, die auch in einer Szene des Films erwähnt werden und Emas Ausrüstung mit einem Flammenwerfer erklären könnten. Die Ballettaufführung, | ||
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+ | Auffällig im Prolog sind auch die betonte Männlichkeit ihres Auftritts, die Rücksichtslosigkeit der Brandstiftung und der Machtanspruch, | ||
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+ | Der elektronische Score des Komponisten Nicolas Jaar zieht uns – zusammen mit den eindrucksvollen Bildern des Prologs – von Anfang an in seinen Bann. Er schafft eine tiefe Raumwirkung durch das Aufgreifen des Schiffshornklangs. Die Sirenen – Akkorde unterstützen das Motiv des Feuers. Durch die ansteigende, | ||
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