private_kunstsammler_in_japan_-_eine_analyse
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- | Das Ziel eines Sammlers will Arthur Davison Ficke (1883-1945) als Bewahrer, aber auch als Kritiker verstanden wissen. Diese Aufgaben nehmen natürlich auch die staatlichen Einrichtungen wie Nationalmuseen für sich in Anspruch, jedoch können private Sammler, wie Ficke einer war, ihren persönlichen Interessen folgen, und so weniger | + | Die Rolle eines Sammlers will Arthur Davison Ficke (1883-1945) als Bewahrer, aber auch als Kritiker verstanden wissen. Diese Aufgaben nehmen natürlich auch die staatlichen Einrichtungen wie Nationalmuseen für sich in Anspruch, jedoch können private Sammler, wie Ficke einer war, ihren persönlichen Interessen folgen, und so weniger |
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- | Dieses Wiki stellt einige private japanische Sammler und ihre Museen vor, ohne in irgendeiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Vielmehr wird anhand einiger Personen herausgearbeitet, | + | |
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- | Im Vordergrund stehen die Fragen nach einer möglichen Motivation der Sammler, eigene Sammlungen aufzubauen, sowie warum sie diese zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben. Im Gegensatz zu europäischen Privatsammlungen jedoch, die häufig nach dem Tod des Sammlers der öffentlichen Hand übergeben wurden, so dass beispielsweise die Geburtsstädte des Sammlers ein eigenes Museum für solche privaten Sammlungen erbauten, verbleiben in Japan die Sammelobjekte in privater Hand und werden in einem Privatmuseum ausgestellt. Auffällig ist, dass in vielen dieser Privatmuseen nationale Kulturschätze oder wichtige Kulturgüter zu finden sind. Die Privatmuseen übernehmen damit einen Teil der nationalen Identitätsstiftung Japans. | + | |
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+ | Dieses Wiki stellt einige private japanische Sammler und ihre Museen vor, ohne in irgendeiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Vielmehr wird anhand einiger Personen, die bedeutende Sammlungen von Kunstwerken zusammengetragen und diese später in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, herausgearbeitet, | ||
+ | Im Vordergrund stehen die Fragen nach einer möglichen Motivation der Sammler, eigene Sammlungen aufzubauen, sowie warum sie diese zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten. Im Gegensatz zu europäischen Privatsammlungen jedoch, die häufig nach dem Tod des Sammlers der öffentlichen Hand übergeben wurden, so dass beispielsweise die Geburtsstädte des Sammlers ein eigenes Museum für solche privaten Sammlungen erbauten, verbleiben in Japan die Sammelobjekte in privater Hand und werden in einem Privatmuseum ausgestellt. Auffällig ist, dass in vielen dieser Privatmuseen [[kulturgesetze|nationale Kulturschätze oder wichtige Kulturgüter]] zu finden sind. Die Privatmuseen übernehmen damit einen Teil der nationalen Identitätsstiftung Japans. | ||
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- | Richtig ist allerdings auch, dass die Inbesitznahme von Objekten, der Wunsch nach Besitz, ein tief in der menschlichen Psyche verankertes Bedürfnis darstellt - auch wenn Ficke dies verneinte. Bis sich der gewünschte Gegenstand jedoch im Eigentum des Sammlers wiederfindet, | + | Richtig ist allerdings auch, dass die Inbesitznahme von Objekten, der Wunsch nach Besitz, ein tief in der menschlichen Psyche verankertes Bedürfnis darstellt - auch wenn Ficke dies verneinte. Bis sich der gewünschte Gegenstand jedoch im Eigentum des Sammlers wiederfindet, |
Jedoch beschränkt sich das Besitzen der Gegenstände oder Kunstwerke nicht nur auf die Außenwirkung. Vielmehr baut der Sammler durch die Objekte eine Verbindung auf, die das Überschreiten von zeitlichen und räumlichen Grenzen ermöglicht. Zum einen entsteht eine Beziehung zum Schöpfer des Werks, sei es nun ein Maler, | Jedoch beschränkt sich das Besitzen der Gegenstände oder Kunstwerke nicht nur auf die Außenwirkung. Vielmehr baut der Sammler durch die Objekte eine Verbindung auf, die das Überschreiten von zeitlichen und räumlichen Grenzen ermöglicht. Zum einen entsteht eine Beziehung zum Schöpfer des Werks, sei es nun ein Maler, | ||
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Wie weit das Verlangen nach sozialem Ansehen und Prestige nach außen getragen wurde, variiert sehr stark: Wurde die Sammlung lediglich einem ausgewählten Kreis gezeigt, so stand die Anerkennung innerhalb einer Gruppe von Kennern im Vordergrund. Das soziale Kapital, welches laut [[theorie: | Wie weit das Verlangen nach sozialem Ansehen und Prestige nach außen getragen wurde, variiert sehr stark: Wurde die Sammlung lediglich einem ausgewählten Kreis gezeigt, so stand die Anerkennung innerhalb einer Gruppe von Kennern im Vordergrund. Das soziale Kapital, welches laut [[theorie: | ||
- | Mit der öffentlichen Zurschaustellung, | + | Mit der öffentlichen Zurschaustellung, |
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- Die **Industriellen** sind private Kunstsammler, | - Die **Industriellen** sind private Kunstsammler, | ||
- Anders verhält es sich bei dem Typus des **Philanthropen**. | - Anders verhält es sich bei dem Typus des **Philanthropen**. | ||
- | - Ähnlich verhält es sich mit den **Förderern von Kultur, Kunst und Wissenschaft**, | + | - Ähnlich verhält es sich mit den **Förderern von Kultur, Kunst und Wissenschaft**, |
- | - Mit den **religiösen Anführer** sei hier auf zwei Persönlichkeiten verwiesen, die Sammlungen und in der Folge Museen begründeten, | + | - Mit den **religiösen Anführer** sei hier auf zwei Persönlichkeiten verwiesen, die Sammlungen und in der Folge Museen begründeten, |
Mit Blick auf ihre unternehmerischen Aktivitäten sind die Personen jedoch anders zu verorten. Legt man die Kategorien nach Hirschmeier zugrunde, der 50 Persönlichkeiten aus der Wirtschaft der Meiji-Zeit analysierte, | Mit Blick auf ihre unternehmerischen Aktivitäten sind die Personen jedoch anders zu verorten. Legt man die Kategorien nach Hirschmeier zugrunde, der 50 Persönlichkeiten aus der Wirtschaft der Meiji-Zeit analysierte, | ||
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Es ist zu erkennen, dass Sammler, die sich dem romantischen Typus zuordnen lassen, entweder in die Kategorie der Industriellen oder der Philanthropen fallen. Im Gegensatz dazu lassen sich die religiösen Anführer und die Förderer von Kunst, Kultur und Wissenschaft hauptsächlich dem semi-klassischen und klassischen Typus zurechnen. Daher kann die Vermutung angestellt werden, dass Sammler, die aus einer ökonomischen bzw. politischen oder einer sozialen Motivation heraus Kunst gesammelt haben, eine wirtschaftlich risikoreichere und erfolgsorientiertere Unternehmerbiographie zeigen. \\ | Es ist zu erkennen, dass Sammler, die sich dem romantischen Typus zuordnen lassen, entweder in die Kategorie der Industriellen oder der Philanthropen fallen. Im Gegensatz dazu lassen sich die religiösen Anführer und die Förderer von Kunst, Kultur und Wissenschaft hauptsächlich dem semi-klassischen und klassischen Typus zurechnen. Daher kann die Vermutung angestellt werden, dass Sammler, die aus einer ökonomischen bzw. politischen oder einer sozialen Motivation heraus Kunst gesammelt haben, eine wirtschaftlich risikoreichere und erfolgsorientiertere Unternehmerbiographie zeigen. \\ | ||
- | Sammler, die dem semi-romantischen | + | Sammler, die dem semi-klassischen |
Die Tätigkeit des Kunstsammelns kann daher nicht für alle Sammler gleich bewertet werden: Sammler des romantischen oder semi-romantischen Typs betreiben das Kunstsammeln für einen höheren Zweck, das bedeutet, dass für sie nicht das Sammeln von Kunst selbst als größte Priorität galt, sondern die Tätigkeit sie einem anderen, höheren Ziel näherbrachte. Für die anderen Sammlertypen war das Kunstsammeln selbst das Ziel, also das vorher konstatierte Besitzen zum eigenen Vergnügen. | Die Tätigkeit des Kunstsammelns kann daher nicht für alle Sammler gleich bewertet werden: Sammler des romantischen oder semi-romantischen Typs betreiben das Kunstsammeln für einen höheren Zweck, das bedeutet, dass für sie nicht das Sammeln von Kunst selbst als größte Priorität galt, sondern die Tätigkeit sie einem anderen, höheren Ziel näherbrachte. Für die anderen Sammlertypen war das Kunstsammeln selbst das Ziel, also das vorher konstatierte Besitzen zum eigenen Vergnügen. | ||
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- | Das hier vorgestellte Netzwerk der Kunstsammler kann nicht vollständig sein, da dazu wesentlich mehr Daten ausgewertet werden müssten. | + | Das hier vorgestellte Netzwerk der Kunstsammler kann nicht vollständig sein, da dazu wesentlich mehr Daten ausgewertet werden müssten. |
Die beiden Industriellen [[kobayashi_ichizo_小林一三|Kobayashi Ichizô]] und [[masuda_takashi|Masuda Takashi]] weisen die meisten Kanten auf und kristallisieren sich als sogenannte Hubs heraus. Gemeinsame Bekanntschaften sind [[hatakeyama_issei|Hatakeyama Issei]], [[goto_keita|Gotô Keita]] und [[nezu_kaichiro_根津嘉一郎|Nezu Kaichirô]]. Auffallend ist, dass diese beiden zentralen Personen vielfältige Beziehungen pflegten, nicht nur in Kunstsammlerkreisen, | Die beiden Industriellen [[kobayashi_ichizo_小林一三|Kobayashi Ichizô]] und [[masuda_takashi|Masuda Takashi]] weisen die meisten Kanten auf und kristallisieren sich als sogenannte Hubs heraus. Gemeinsame Bekanntschaften sind [[hatakeyama_issei|Hatakeyama Issei]], [[goto_keita|Gotô Keita]] und [[nezu_kaichiro_根津嘉一郎|Nezu Kaichirô]]. Auffallend ist, dass diese beiden zentralen Personen vielfältige Beziehungen pflegten, nicht nur in Kunstsammlerkreisen, | ||
- | \\ [[kubo_sotaro_久保惣太郎|Kubo | + | \\ [[kubo_sotaro_久保惣太郎|Kubo |
==== Museumsgründungen ==== | ==== Museumsgründungen ==== | ||
- | Ca. 90% der Museumsgründungen weltweit erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg. (vgl. Baur 2012, S. 27) So ist dieser Trend auch in Japan zu beobachten; die meisten der in diesem Wiki vorgestellten Museen wurden in der Nachkriegszeit etabliert. 1951 wurde in Japan eigens ein Museumsgesetz (Hakubutsu hô 博物館法) erlassen, wonach Museen die Aufgabe haben, zur kulturellen Bildung der Gesellschaft bei zutragen. Die japanische Gesetzgebung orientiert sich damit eng an den Grundsätzen des International Council of Museums (ICOM), welches seit seiner Gründung im Jahr 1946 sich mit der Definition von Museum als Institution beschäftigt. In den Statuten aus dem Jahr 2007 wird Museum wie folgt definiert: | + | Ca. 90% der Museumsgründungen weltweit erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg. (vgl. Baur 2012, S. 27) So ist dieser Trend auch in Japan zu beobachten; die meisten der in diesem Wiki vorgestellten Museen wurden in der Nachkriegszeit etabliert. 1951 wurde in Japan eigens ein Museumsgesetz (Hakubutsu hô 博物館法) erlassen, wonach Museen die Aufgabe haben, zur kulturellen Bildung der Gesellschaft bei zutragen. Die japanische Gesetzgebung orientiert sich damit eng an den Grundsätzen des International Council of Museums (ICOM), welches |
>> "A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, | >> "A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, | ||
- | Registrierte Privatmuseen in Japan folgen diesen Grundsätzen. Die ursprünglichen Gründe von Privatpersonen ihre Kunstsammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen können recht unterschiedlich sein und in verschiedenen Formen erfolgen. | + | Registrierte Privatmuseen in Japan folgen diesen Grundsätzen. Die ursprünglichen Gründe von Privatpersonen ihre Kunstsammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, können recht unterschiedlich sein und in verschiedenen Formen erfolgen. Gerade die Philanthropen unter den Sammlern möchten mit ihren Sammlungen der Gesellschaft die Möglichkeit der Bildung geben. Dies ist auch bei dem Typus der religiösen Anführer der Fall, auch wenn Bildung dann eng mit dem religiösen Glauben und einem übergeordneten Gedankengebäude verbunden sein kann. \\ |
+ | Wenn auch nicht religiös motiviert, haben Museen von Unternehmen einen ähnlichen Charakter, da sie vor allem der Außendarstellung dienen und Ausdruck einer Firmenphilosophie sind. | ||
+ | Für viele Privatsammler steht aber sicherlich der Wunsch nach Bewahrung der Sammlung und der Kunstwerke im Vordergrund ihrer Überlegungen bei einer Museumsgründung. So haben einiger der hier vorgestellten Sammler noch zu Lebzeiten die Überführung der Sammlung in ein eigenes Museum angeregt und häufig selbst durchgeführt. Der Wunsch nach Besitz wird damit nicht aufgehoben, sondern wird erweitert um das Bedürfnis nach Anerkennung, | ||
+ | Die Überführung der Sammlung in ein Museum entbindet die Nachkommen zwar nicht vollständig von ihrer Pflicht das Erbe weiter zu pflegen, aber sie ermöglich eine Vereinfachung des Kapitaltransfers auf die nächste Generation, wenn dies nicht alleine verantwortlich ist. Registrierte Privatmuseen in Japan verpflichten sich nämlich, Fachpersonal wie Kuratoren zu beschäftigen, | ||
==== Fazit ==== | ==== Fazit ==== | ||
+ | Private Kunstsammler sind bis heute in Japan und weltweit aktiv. Die Wirtschaftselite der Meiji- und Taishô-Zeit und bis zu einem gewissen Grad auch der Shôwa-Zeit (1926-1989) haben mit ihrer Sammeltätigkeit jedoch häufig bestimmt Ziele verfolgt, die von Privatvergnügen über religiöse Gründe bis zum gesellschaftlichen Auftrag reichten. In allen Fällen jedoch erhöhte der Sammler seinen sozialen Status und damit sein symbolisches Kapital, welches | ||
+ | Die privaten Sammlungen stehen im Gegensatz zu den Privatmuseen, | ||
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==== Quellen ==== | ==== Quellen ==== | ||
* BAUR, Joachim (Hrsg.): // | * BAUR, Joachim (Hrsg.): // |
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