Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


die_andere_seite_der_hoffnung:die_kommunikation_der_protagonisten_verbal_und_nonverbal_bernd_katzenstein

Aki Kaurismäki „Die andere Seite der Hoffnung“
Die Kommunikation der Protagonisten - verbal und nonverbal (Bernd Katzenstein)

Forschungsfrage: Ich untersuche die verbale und nonverbale Kommunikation (Dialoge, Körpersprache und Mimik) der Protagonisten Wikström und Khaled in vier Szenen. Meine Analyse soll die Frage beantworten, ob Aki Kaurismäki auch in diesem Film sein vielfach erprobtes und beschriebenes minimalistisches Konzept weiterverfolgt.

Dazu protokolliere ich

a) vier Szenen mit (3) und ohne(1) Dialog,
b) beschreibe den Szeneninhalt und dessen Bedeutung,
c) analysiere die Sprache, Gestik und Mimik (Körpersprache),
d) zum Schluss bette ich meine Analyse in den Gesamtzusammenhang ein und ziehe ein Fazit.

DIE DIALOGE

a)Prügelszene (1.01 - 03) „Einander kennenlernen heißt lernen, wie fremd man einander ist.“ (Chr. Morgenstern)

Szenenbeschreibung: Die schmutzig-weiße Front des Restaurants am Abend. Der leuchtend gelbe Neonschriftzug“ Kultainen Tuoppi“( Goldener Krug). Rechts ragt ins Bild der mächtige chromverzierte Kühler von Wikströms schwarzem Amischlitten. Die braunen Fensterrahmen und die grau-bräunliche Fassadenverkleidung, das ganze Ensemble machen einen heruntergekommenen Eindruck. Aus der Tür tritt Wikström, korrekt gekleidet in einem hellgrauen Anzug, weißes Hemd, bräunliche Krawatte und sauber gefaltetes weißes Einstecktuch. Er wendet sich nach rechts der Fensterfront entlang, in der rechten Hand einen nicht ganz gefüllten grauen Müllsack. Die Kamera folgt ihm. Energischen Schrittes läuft er auf einen großen grauen eckigen Müllcontainer zu, der nach hinten versetzt nach der Front des Restaurants seitlich vor dem Nachbarhaus mit einem großen Garagentor steht. Über der ebenfalls schmutzig-weißen Wand hängt ein feuerroter Feuerlöscher. Links davon eine braune Eingangstür zum Haus. Wikström geht zielbewusst blickend auf den Container zu, dreht sich nach rechts, öffnet den Deckel und versenkt sorgfältig den Sack und stopft noch einmal nach.

(Schnitt)
(Die Kamera frontal vor der Längsseite des Containers: Wikströms Kopf und dann der Oberkörper erscheinen hinter dem sich senkenden Containerdeckel. Jetzt erst wendet er sich nach links in Richtung der rückversetzten Hauswand, blickt etwas erstaunt nach schräg unten wobei sich sein Oberkörper nach vorne neigt.)

(Schnitt)
(Die Kamera 90 Grad nach links frontal auf die Hauswand gerichtet, rechts der Container, Wikström nicht im Bild.)

Khaled sitzt frontal zur Kamera auf Packpapier am Boden. Das rechte Knie angezogen, darüber die locker zur Faust geschlossene Hand. Er trägt eine verschmutzte graue Jacke mit einigen dunkleren größeren Flecken, ein ebenso verschmutztes blau-grau-weiß kariertes Hemd und eine graue Hose aus grobem Stoff. (Die Verschmutzungen stammen vom Angriff der Nazi-truppe „Finnland Liberation Army“). Gesicht und Hand sind ebenfalls verschmutzt, aus dem verschwitzten Haar hängt eine kleine Locke in die Stirn. Khaled schaut erschöpft, sehr teilnahmslos schräg nach oben, die Augen leicht verengt.)

(Schnitt)
(Die Kamera frontal vor der Längsseite des Containers). Wikström steht links und schaut schräg nach unten. Langsam erscheint Khaleds Kopf, der sich allmählich erhebt. Er ist einen halben Kopf kleiner als Wikström).

Dialog:

WIKSTRÖM: Was bist Du denn für einer?

(Schnitt)
WIKSTRÖM: hebt leicht den linken Arm und lässt ihn wieder hängen. Khaled folgt der Bewegung mit den Augen)

KHALED: I live here, this is my bedroom
(Khaled beginnt während des Satzes aufzustehen)

(Schnitt: Kamera wieder frontal auf Höhe des Containers. Distanz der beiden Oberkörper etwa ein Meter)

WIKSTRÖM: No way, this is my garbage field.

KHALED: Says who?

WIKSTRÖM: Say I.

(Während Wikström den Blick auf Khaleds Gesicht hält, hat dieser ein oder zweimal den Blick gesenkt. Jetzt kommt er Wikström etwas näher und sagt leicht drohend)

KHALED: You want to fight?

WIKSTRÖM: But I am bigger.

KHALED: So, what

(Khaleds Oberkörper hat sich weiter genähert, wir sehen den linken Arm in Brusthöhe den Körper ausbalancieren, während er offenbar mit der rechten Arm ausholt. Mit einem dynamischen Schwung schlägt Khaled Wikström, der nur im letzten Moment um Zentimeter nach hinten auszuweichen sucht, die rechte Faust ins Gesicht. Wikström taumelt leicht von dem des Schlags zurück mit Kopf und Oberkörper, aber fällt nicht. Während Khaled die vor der Brust platzierten Fäusten allmählich sinken lässt und sich auf die Grundposition zurückzieht, richtet sich Wikström wieder auf, der Kopf bleibt gebeugt, beide Hände fahren nach oben, die linke offene Hand geht zur Nase, verweilt kurz und sinkt herab. Wikström blickt offensichtlich überrascht mit gekrauster Stirn auf seine Handfläche. Darüber sehen wir einen blutroten Fleck auf der Nase. Sein Blick geht zu Khaled, der Körper strafft sich leicht und mit einem rechten Schwinger schlägt er Khaled zu Boden, der zu spät die Fäuste in Verteidigungsstellung gebracht hat. Der Schwung ist so stark, dass sein in der Mitte gesäumte untere Jacketthälfte, der Bewegung folgend, aufklappt. Khaleds Oberkörper und Kopf drehen nach rechts von der Kamera weg und versinken hinter dem Container. Wikström richtet sich auf, dreht sich fast völlig zur Kamera blickt erneut erstaunt auf seine linke Hand, führt wie zur Kontrolle die rechte Hand an die Nase und blickt auf beide Handflächen.)

(Schnitt)

Analyse: Eine Szene, die ganz entscheidend für den Fortgang ist, weil die beiden bisher getrennt agierenden Protagonisten nach einer ersten zufälligen Begegnung nun zusammenfinden. Aber Streit ist angesagt, keineswegs Konsens-sogar körperliche Aggression. Und es ist keinesfalls so, dass der rechtmäßige Besitzer Wikström im vollen Gefühl seiner überlegenen Stellung dem armen Flüchtling mit einem Faustschlag zeigt, wer hier im Recht ist, sondern der Flüchtling schlägt als erster zu. Denn Khaled wird (auch) in dieser Szene keineswegs als der Hilflose, Schutzlose, deswegen Folgsame oder Anpassungsbereite gezeigt, sondern er agiert, obwohl er körperlich unterlegen ist. Er handelt symbolisch gesprochen auf Augenhöhe -als Gleichberechtigter.1)
Ihm mag helfen, dass er, so lässt seine Körpersprache wenigstens vermuten, eine gewisse Boxerfahrung hat. Denn im Gegensatz zu Wikström steht er in der typischen Grundhaltung des Boxers, den Oberkörper leicht geduckt, die Fäuste vor der Brust.

Solch ein, wenn auch kurzer Kampf, sollte eigentlich ein schlechtes Omen für eine gute Beziehung sein. Es zeigt jedoch den skurrilen Humor Kaurismäkis: Er nimmt eine Schlägerei als Startpunkt einer von nun an solidarischen, beschützenden und helfenden Beziehung zwischen Wikström und Khaled. Der Restaurantbesitzer und sein Team werden im Rahmen ihrer –erstaunlichen- Möglichkeiten und in kurzer Zeit Khaled helfen zu überleben und seine Schwester wiederzufinden.

Körpersprache

Man könnte meinen, dass ein Boxkampf die Gelegenheit für zahlreiche ausdrucksstarke Bewegungen der Schauspieler bietet: Tänzeln auf der Stelle, die Fäuste geballt, den Oberkörper beweglich hin- und her pendelnd - typische Boxerbewegungen eben. Aber keineswegs: Kaurismäkis lässt die beiden so karg wie möglich die Szene spielen. Das ist nicht etwa dem Unvermögen der Schauspieler geschuldet sondern Kaurismäki dirigiert seine Helden ganz bewusst. Auf der Pressekonferenz der Berlinale 2017 nämlich, auf der sein Film vorgestellt wurde, ließ er sich über das Agieren seiner Helden so vernehmen: “I don’t want them to move too much and to shake their hands like windmills“ Die Kargheit ist also gewollt und sie setzt sich auch fort in der Mimik ,denn auch sie ist äußerst reduziert. Der stoische Gesichtsausdruck Wikströms ändert sich auch kaum als Reaktion auf den unerwartet empfangenen Schlag. Ein leichtes Hochziehen der Stirn zu Falten soll nichts weiter als Überraschung signalisieren- das ist alles, was Wikström körpersprachlich bieten soll.

b) Eine Unterkunft finden I (1.04)

Im Restaurant

Wikström links im Bild. Im Hintergrund die nostalgische Bar aus braunem Holz. Mittig im Bild ein großer Einbauspiegel, rechts davon eine große senkrechte Leuchte mit senkrecht geriffelten Glas. 30er oder 50er Nostalgie pur. Im Hintergrund ein summendes (Staubsauger)-geräusch. Portier tritt von rechts ins Bild aber nicht so nahe, dass Spiegel und Leuchte verdeckt wären. (er hat in der Szene davor den Kühlraum des Restaurants ausgemessen, um herauszufinden ob er Khaled als Schlafplatz dienen könnte.)

Dialog:

PORTIER: „Den Kühlraum hätte man abschalten können, aber da passt er nicht einmal quer hinein.“ (Dabei blickt der Portier an der Kamera vorbei in den Raum. Der Zuschauer soll vermuten dass er auf den staubsagenden Khaled blickt.)

WIKSTRÖM: „ Er kann sowieso nicht hier wohnen. Auch jemand wie ich braucht manchmal seine Ruhe. Wurde ich vielleicht von Gott so geschaffen, dass ich keinen Rückzugsraum brauche? Werde ich nicht verbluten und sterben wenn man mich vergiftet. Bin ich der Geringste unter den Geringsten?“

(Auch Wikström hat zu Beginn seiner Worte den Blick in den Raum gerichtet, der Portier blickt nun aufmerksam Wikström an.)

PORTIER: So, was bin ich denn, wenn Sie als Chef der Geringste sind.

WIKSTRÖM Schön, dass Du deinen Platz kennst (Schnitt)

b) Eine Unterkunft finden II (1.06)

Wikströms ehemaliger Lagerraum

Frontaler Kamerablick auf eine metallisch glänzende Front von Wikströms Lagerraum. Von links wandern zwei milchige Lichtmonde wie von Autoscheinwerfern über die Front.

(Schnitt)
Wikströms Amischlitten fährt von links in das Bild, hält vor der Tür.

(Schnitt)
Dunkelheit im Lagerraum, von links erscheint die von außen hälftig erleuchtet Silhouette Wikströms. Er macht sich rechts an der Tür zu schaffen. Eine vergitterte funzelige Kellerlampe leuchte auf und erhellt matt den Raum. Drei graue völlig leere Industrieregale bilden das Mobiliar vor einer beigen Wand. Wikström tritt ein, in den Händen eine dünne braune Steppdecke, darauf ein blaues Kopfkissen. Er geht einige Schritte durch den Raum und legt die Objekte in Brusthöhe in das Regal. Khaled ist ihm im Abstand von 1,50 m gefolgt. Er trägt eine durch einen Bindfaden zusammengerollte, dünne Matratze mit blau-weißem Blümchenmuster. Im Gehen mustert Khaled den Raum, den Kopf zur Kamera drehend. Er stellt die Matratze senkrecht in der Mitte des Raums ab. Wikström öffnet den an der Wand rechts vom Regal installierten Wasserhahn, heraus kommt eine dunkelbraune Brühe.

Dialog:

WIKSTRÖM:
Here is water.
Food you get at work
Do you have cash?

KHALED: Not really

(Wikström greift in die Brusttasche und gibt Khaled einige Scheine. Khaled nimmt sie, hält sie in der Hand. Wikström greift noch einmal zu und nimmt einen Schein zurück).

WIKSTRÖM:
This is tax
Work starts at eight

(Schnitt)

Inhalt und Bedeutung:

In diesen beiden thematisch zusammenhängenden Szenen wird die Solidarität und Hilfsbereitschaft Wikströms und seiner Mannschaft mit dem Flüchtling gezeigt. Keineswegs geht es nur um eine erste Barmherzigkeit in Form einer warmen Mahlzeit für einen halbverhungerten Menschen aus Aleppo. Erst einmal das Angebot eines Hilfsjobs („You want to work?“), aber die Hilfsbereitschaft geht weiter: Eine Unterkunft wird gesucht und zwar im eigenen geschützten Umfeld. Denn Khaled wieder den kalt-bürokratischen Institutionen staatlicher Fürsorge zu überantworten würde bedeuten ihn wieder dem Risiko der Abschiebung auszusetzen. Denn noch hat Khaled keine Papiere, die ihn vor diesem Schicksal schützen könnten. So behilft man sich mit den zur Verfügung stehenden Bordmitteln – dem Kühlraum im Restaurant. Als sich dessen mangelnde Eignung herausstellt wird Wikströms ehemaliger Lagerraum zur Notunterkunft. Besser als gar nichts und man wird später weitersehen. Hier zeigt Kaurismäkis seine politische Einstellung den Kriegsflüchtlingen gegenüber -nicht nur in Finnland und so äußert er sich auch in der Pressekonferenz auf der Berlinale. Selbstverständliche humane Hilfe aus privater Initiative im Gegensatz zur vorher gezeigten sachlicher kalt- neutraler staatlicher Administration des Flüchtling Problems. Deutschland im Herbst 2015 lässt grüßen.

Die Sprachanalyse

„Als Dialoge werden kommunikative Handlungen bezeichnet, die zwischen mindestens zwei Personen stattfinden“. Der Dialog als sprachliches Substrat des Films gehört im Konzept der Gestaltungsmaßnahmen. in das Zuordnungsgefüge, das das Verhältnis von Bild und Sprache in charakteristischer Weise kennzeichnet.“ Der sogenannte On-Dialog, also der räumlich und zeitliche dem Bild synchron zuordenbare sprachliche Handlungsverlauf soll die Wirkung des Bildes unterstreichen, ja potenzieren. Reinhold Rau weist darauf hin, dass in der Frühzeit des Tonfilms Siegfried Kracauer zum Beispiel den Dialog einer „schneidenden Kritik“ unterzogen habe, „weil damit die künstlerischen Möglichkeiten des Films verschüttet und die Priorität des Verbalen über das Visuelle sanktioniert würden. Der in der Literatur ausgetragene Streit ob beim Film das Bild wichtiger als das Wort sei oder das Verhältnis umgekehrt werden müsse, soll uns hier nur insoweit beschäftigen als dass Kaurismäki-wie noch zu zeigen sein wird - mit und ohne Dialog eindrucksvolle Szenen kreieren kann.

Auffällig ist jedenfalls, dass, wenn man die Inhaltsverzeichnisse der mir zur Verfügung stehenden studentischen Lehrbücher zur Filmanalyse durchschaut, für wie wenig bedeutend die Autoren Wortsprache und Dialog im Kontext der Filmanalyse halten. Das Thema kommt analytisch selten vor.

Beispiel 1: Helmut Korte „Einführung in die Systematische Filmanalyse“ widmet der Kommunikation durch Worte und Mimik nicht einmal einen Abschnitt, geschweige denn ein Kapitel:

Beispiel 2: Beil/ Kühne / Neuhaus, Studienhandbuch Filmanalyse enthält zwar im Kapitel 6 (Bild und Ton im Spielfilm) einen Unterabschnitt 6.2. (Dialog, Geräusche Musik). Schlägt man die entsprechende Passage auf Seite 160 auf, liest man Folgendes:

“Der Dialog im Spielfilm umfasst

(1) den Dialog im engeren Sinne
(keine Unterzeile)

(2) den inneren Monolog
(zwei Unterzeilen)

(3) den Erzählkommentar
(drei Unterzeilen- mit Verweis auf ein weiteres Kapitel)

Es folgen ganze elf Zeilen über Geräusche und schon folgt das Unterkapitel “Zur Musik im Spielfilm“

Einzig Faulstich behandelt den Filmdialog im Kapitel 5.2. auf vier Seiten (Gesamtumfang 240 Seiten) und analysiert mit drei Filmszenen(Rambo II, Die Marquise von O und Harry und Sally) den Verweischarakter des Dialogs auf die filmische Handlung.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Filmdialog als solchem scheint demnach spärlich zu sein. Das vermerkt trocken ein Handbuch der Medienwissenschaften: „die randliche Rolle der Wortsprache in der Filmliteratur macht es verständlich, dass die Dialoggestaltung im Film bisher von dieser Seite keine Aufmerksamkeit zukam“ . Auch Christoph Wahl schreibt in seiner Dissertation:“ Ein Hindernis ist das Des – bzw. oberflächliche Interesse der Filmtheorie an dem Themenkomplex „Sprache und Film“. Es scheint, als habe die jahrzehntelange semiotische Suche nach einer Filmsprache den Blick auf die tatsächlich im Film vorhandene verbale Sprache verstellt.“

Es ist also so, dass bei der Mehrzahl der wissenschaftlich orientierten Autoren der Filmanalyse zwar Film nach der Erfindung der Tonspur als audiovisuelles Medium charakterisiert wird, aber das Visuelle bei weitem wichtiger und faszinierender ist als das Auditive. Eigentlich hätte die Bezeichnung visuell-auditives Medium heißen müssen, eine Wortschöpfung die offenbar als weniger eingängig beurteilt wurde. Es gilt auch hier ein verbreitetes Motto der Praxis “Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. So rät denn auch ein Ratgeber im Internet: „Eine der Kardinalsregeln beim Dialoge schreiben ist es, immer genau zu überprüfen, ob das Gesagte es auch wirklich wert ist, ausgesprochen zu werden. Alles, was man im Film nämlich auch mit Bildern sagen kann, sollte auch auf diese Weise dem Zuschauer übermittelt werden.“

Will man sich also der Kommunikation im Film insbesondere dem Dialog näher widmen ist man mangels anderer Quellen auf die populäre Ratgeberliteratur zur Praxis des Drehbuch- und damit auch des Dialogschreibens angewiesen. Sie richtet sich eher an Sprachpraktiker wie Buchautoren oder Journalisten, die das Drehbuchschreiben erlernen wollen. Dazu gehören zum Beispiel die amerikanischen Erfolgsautoren Syd Field oder Sol Stein, wobei der letztere z.B. 1995 einen Ratgeber für erfolgreiches Schreiben publizierte. Das Fachbuch erzielte allein in Deutschland zwischen 1997 und 2001 sieben Auflagen.

Einen großen Raum widmen diese Ratgeber der Frage, ob die gewöhnliche Alltagssprache oder eine spezielle, erfundene Sprachnorm des Dialogs gewählt werden sollte z.B.- Sol Stein. Er und andere betonen wie schwierig es sei, gute Dialoge zu schreiben. Dazu gehöre jahreslanges Training. Sie raten dazu, nicht die wenig effiziente Alltagssprache zu verwenden sondern eine künstliche, von manchen als poetisch bezeichnete, Dialogsprache, die es zu erlernen gelte. Dazu Stein: “Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Auffassung ist der Dialog keine Wiedergabe der realen Rede; es ist die Kunstform der wörtlichen Rede, eine erfundene Sprache des verbalen Austauschs, der sich in Tempo oder Inhalt auf einen Höhepunkt zubewegt.“

Zu dieser Auffassung bekennt sich auch Kaurismäki in einem Interview, das Jochen Werner mit ihm führte.

WERNER: „Die Dialoge sind hingegen sehr ungewöhnlich. Die Sprache Ihrer Figuren ist keine gesprochene, sondern eine geschriebene“.

KAURISMÄKI: „Für mich ist das normal. Hin und wieder habe ich versucht, eine vermeintlich „normale“ Sprache zu verwenden- jedoch ohne Erfolg. In meinen Ohren klingt die Alltagssprache im Kino idiotisch“.

Zur Veranschaulichung dieser Haltung versuche ich den Dialog der Prügelszene in Alltagssprache zu transformieren um zu prüfen was sinnvoller erscheint.

1)
https://www.marx21.de/aki-kaurismaeki-die-andere-seite-der-hoffnung / „Sie (Khaled und Mazdak) werden nicht als passive Opfer dargestellt, sondern als lebendige Menschen mit der Fähigkeit, zu handeln. Das Zusammentreffen dieser Handlungsfähigkeit mit dem Solidaritätsinstinkt und der reinen Menschlichkeit von Wikström und seinen Mitarbeitern erzeugt eine Kraft, die die Welt verändern kann“.
die_andere_seite_der_hoffnung/die_kommunikation_der_protagonisten_verbal_und_nonverbal_bernd_katzenstein.txt · Zuletzt geändert: 2018/11/07 17:10 von admin