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Die drei Billboards als Symbole und die Handlung treibende Elemente für den Inhalt (Bernd Katzenstein)

VORBEMERKUNG

Billboards waren spätestens seit dem 19 Jahrhundert, aber ganz besonders seit dem Beginn der Massenmotorisierung um 1920, ein selbstverständlicher Bestandteil des nordamerikanischen Straßenbilds in der City, dann auch in den schnell wachsenden Weichbildern der Städte und auch am Rande der Fernstraßen oder Highways. Sie galten als ein besonders effektives Werbemittel1). Billboards laden den müden Autoreisenden ein zu einem heißen Kaffee oder einem warmem Bett, bewerben Produkte oder Dienstleistungen aller Art, machen Reklame für lohnende Reiseziele oder begrüßen und verabschieden den Autofahrer bei der Ein- oder Ausfahrt einer Ortschaft. Sie versprechen Wohlstand und Komfort, sind unübersehbarer Teil des American-Way –of –Life und damit kulturelle Ikonen der automobilen Alltagswelt. Auf der anderen Seite gab es schon früh eine starke Opposition , überwiegend von Frauen, gegen diese Beeinträchtigung der natürlichen Landschaft, die von ihren (männlichen) Gegnern aus der Werbeindustrie abfällig „scenic sisters“ genannt wurden, altmodische Schwestern sozusagen, die der Idee einer von der modernen Zivilisation unberührten Natur nachhingen und den Fortschritt blockieren wollten. Sie organisierten große Kampagnen gegen die Plakatwerbeindustrie und für die visuelle Erhaltung der Landschaft. Der Slogan hieß „Landscapes belong to the public. Billboards destroy them“. Ironischerweise ließen sie ebenfalls Billboards mit diesem Slogan aufstellen, was wiederum-doppelte Ironie- Andere als Vorwand benutzten, um gleichzeitig für ihre Dienstleistung und für die Abschaffung auf Plakatwänden zu werben.2)

FILMANALYSE

Am Filmanfang stehen die Billboards als Relikte einer vergangenen Zeit, seit Jahrzehnten unbenutzt, weil eine Umgehungsstraße den Fernverkehr aus Ebbing fernhält. Aber sie werden schnell zu neuer, höchst aktueller Gegenwart.

Der Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob und in wieweit die titelgebenden Billboards, unverhofft zu neuer Aktualität gelangt, nicht nur direkt Auslöser der Story sind sondern auch den roten Faden der Handlung symbolisieren. Dazu untersuche ich den Text, die symbolische Bedeutung der Plakatfarben Rot und Schwarz, und –kurz-den Umgang mit der Kamera.

Zuerst protokolliere und analysiere ich vier Szenen, in denen die Plakatwände besonders prominent ins Bild gesetzt werden, um dann ein Fazit zu ziehen.

  1. Die alten Billboards als Auslöser von Mildreds Plan.
  2. Die frisch beklebten Plakate als Treiber des Dramas.
  3. Die brennenden Billboards als Symbol für die Gewalt im Film.
  4. Die Autofahrt am Ende des Films in Verbindung mit den Aufnahmen vor dem Vorspann.


Szene 1: Mildred hat eine Idee.

(Panorama, establishing-shot) Eine idyllische, sonnenbeschienene Hügellandschaft mit Laubbäumen-in frischem Frühlings Grün (es ist kurz vor Ostern wie wir bald wissen werden). Im Hintergrund sanfte, baumbestandende Hügel. Rechts im Bild eine zweispurige Straße, gelber Doppelstreifen, links die Rückseiten dreier hölzerner Billboards. Sie sind offensichtlich verfallen, es fehlen viele Holzpaneele, sodass der Blick durch die Lücken auf die Landschaft fällt. Der Himmel ist blassblau, ein noch kühler Frühlingsmorgen.

Zeit Handlung
00.01.45 (Totale) Ein uralter Stationswagon (ein Ford) taucht langsam aus einer kleinen Bodensenke auf und fährt an den Billboards vorbei.
00.02.00 (Totale von rechts) Im Vordergrund perspektivisch alle drei Billboards. Das Auto fährt dahinter langsam von links nach rechts und hält am Billboard 3. Helles Sonnenlicht von schräg links wirft einen scharfen Schatten –die Sonne steht also tief- es ist früh am Morgen oder spät am Nachmittag. Auf der Vorderfläche ist noch zu erkennen
„ EBBING worth stopping for“
00.02.04 (Großaufnahme von links) Kamera auf das Gesicht einer Frau, Mitte 50, die Hauptfigur Mildred, gekleidet in einer hellen Cordjacke, die nach halbrechts-oben auf das Billboard 2 schaut.
00.02.08 (Halbtotale) Billboard 2: Es dominieren die Farben hellrosa und hellblau, oben rechts ist noch das Gesicht eines lachenden Babys mit schwarzem Haar zu erkennen. Dazu oben links eine verblasste Kaffeetasse und unten links steht
„chance“
00.02.11 (Großaufnahme von rechts) Mildred verengt die Augen, hebt nachdenklich den Kopf, kaut sinnend auf dem Nagel des Zeigefingers, streicht sich gedankenvoll über die Kehle.
00.02.20 (Halbnahe Einstellung) Mildred legt den Rückwärtsgang (Lenkradschaltung!) ein und fährt langsam zurück zu Billboard 1
00.02.25 (Halbnahe im Auto ) Mildred als Schattenriss von hinten, durch die Frontscheibe die Landschaft. Mehrfacher Perspektivwechsel innen und außen
00.02.30 (Totale) Auto hält am Billboard 1. Hier erkennen wir einen eine See mit kalt-blauem Wasser, in dahinter dunkle Hügel, im Hintergrund schneebedeckte Berge. Vom Text ist nur noch zu lesen „ct your life“.
00.02.39 (Nahaufnahme) überlegt, kaut nachdenklich am Fingernagel.
00.02.45 (Halbtotale) auf ein ovales Schild unterhalb des Billboards - „Ebbing Advertising Company“
00.03.02 (Totale)Auto setzt sich nach vorn in Bewegung und fährt aus dem Bild. Kamera verbleibt auf der idyllischen Landschaft, Aber jetzt kommt links ein verlassener Steinbruch mit tiefen gelblichen Einschnitten- in die Idylle.


SZENENANALYSE

Das Eingangsbild der Szene bietet Nostalgie pur. Eine ländliche Idylle mit rollenden Hügeln im morgendlichen unschuldigen Frühlingsgrün. Das Bild wirkt wie aus der Zeit gefallen, die Gute Alte Zeit Lässt grüßen; das Grün der Natur unterstützt diesen Eindruck. Die Farbe steht in der Farbpsychologie für Natur, es ist die Farbe der Göttin des Frühlings, Flora. Sie steht für Fruchtbarkeit und Wachstum und repräsentiert so die starke Kraft der Natur.3)

Mildreds uralter beiger Stationswagon passt zu den Pastelltönen der vergilbten, noch von Hand gemalten Reste der alten Werbung. Wir sind auf dem Land, fernab von Hektik der Großstadt.

Doch etwas ist anders: Warum hält Mildred, die auf dem Weg von und zu ihrem Haus viele Male an den Billboards vorbeigefahren sein muss, ohne sie zu beachten, diesmal an und sinniert? Wir werden später erfahren, dass diese statischen Billboards eine unerwartete und brutale Dynamik in Gang setzen werden, die den Hauptteil der Filmhandlung ausmachen wird. Mildred wird sie als Zündschnur für eine Explosion aus Blut, Wut, Hass und Brutalität einsetzen. Im Schlussbild stehen die Plakatwände verloren aus ihrer Zeit gefallen als nostalgische Fremdkörper in einer harmlosen Landidylle. Aber anders als in der Eingangsszene sehen wir jetzt den Steinbruch, eine deutliche Spur der Eingriffe des Menschen in die Natur. Dass die Kamera ihn ins Bild nimmt ist Symbol und Hinweis auf die kommenden Brutalitäten. Doch noch ahnen wir nichts.

Szene 2: Mildreds Botschaft wirkt

Zeit Handlung
00.05.28 (Großaufnahme) Nacht. Dixon im Streifenwagen singt und schreit mehrfach „Wow“
00.05.38 (Totale) Kamera leicht erhöht. Auto kommt von rechts und biegt nach rechts in die Anhöhe der Nebenstraße ein.
00.05.48 erscheint aus der Vertiefung (wie Mildred in Szene 1) Kamera rechts von der Straße) Dixon fährt an der Rückseite des von unten beleuchteten Billboards vorbei.
00.05.56 Kameraschwenk von rechts nachlinks auf den Rücken eines Arbeiters, der mit einer roten Schutzweste, die mit weißen Warnstreifen versehen ist und einer Baseballkappe bekleidet, am Billboard 3 arbeitet.
00.05.59 (Großaufnahme) Dixon am Lenkrad schaut verblüfft nach links hinten auf das Billboard, verlangsamt und hält.
00.06.03 Wagen von vorn, Dixon steigt aus, Kameraschwenk nach rechts auf Billboard . Dort steht in riesiger schwarzer Schrift auf blutrotem Grund.
„HOW COME CHIEF WILLOUGHBY?“
DIXON: “Hey? What the hell´s this?”
LATINO: “Que?”
DIXON: “How come Chief Willoughby “what„
LATINO: “what?”
00.06.25 (mehrfache Wiederholungen des gegenseitigen Nichtverstehens) bis Arbeiter mit dem Arm nach rechts zum nächsten Billboard zeigt . Dixons Blick und Kamera folgen nach links zur Rückseite Billboard 2.
00.06.30 Kamera voll auf Rückwärtswand des beleuchteten Billboard 2, wo sich ein Arbeiter in Schutzweste zu schaffen macht, Dixon unscharf am rechten Bildrand.
00.06.32 Dixon steigt eilig ins Auto (Kamera von unten) und fährt mit aufheulendem Motor zu Billboard 2.
00.06.40 Polizeiwagen schwenkt von der Straße ab nach links, parallel zum Billboard 2 und hält.
00.06.41 (Totale, schräger Winkel) auf Billboard 2
„AND STILL NO ARRESTS?”
00.06.44 (Halbtotale) Auto fährt auf Kamera zu, rechts das Billboard 2 mit schwarzem Arbeiter
00.06.55 Dixon spricht den Arbeiter an.
DIXON: Hey you! What the fuck is this?
ARBEITER: What the fuck is what?
DIXON: This! This!
(gestikuliert Richtung Plakatwand. Der Arbeiter dreht sich um und liest)
ARBEITER: Advertising, I guess.
DIXON: Advertising what?
ARBEITER: Something obscure.
DIXON: I´ll say.
ARBEITER: Don´t I know your face from some place?
DIXON: I dunno, do ya?
ARBEITER: Yeah. Yeah, I do.
(spuckt voller Verachtung auf dem Boden)
00.07.33 ARBEITER: Well, before you do that, Officer Dixon, why don´t you go have yourself a look at that billboard over there…..
00.07.40 (Arbeiter weist Dixon mit ausgestrecktem Arm nach rechts auf Billboard 1 hin und spuckt verachtungsvoll auf den Boden)
00.07.53 Dixon schwenkt rückwärts auf die Straße zurück und fährt mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen zu Billboard 1
00.08.02 (Großaufnahme) Dixon sieht zum Billboard und sagt
„Fuck me“
(SCHNITT)
00.08.04 (Familie Willoughby beim Osteressen, Handy klingelt, Willoughby fühlt sich gestört, geht aber ans Telefon).
00.08.20 Dixon, Handy am Ohr, geht nach rechts von der Straße vor das BILLBOARD 1 „We have a problem Chief“
Kamera folgt bis der Text zu sehen ist
„RAPED WHILE DYING“


SZENENANALYSE

Die Billboards sind durch Mildred zum Leben erweckt worden und erfüllen ihre eigentliche Funktion: Sie verkünden eine Botschaft. Doch diese ist völlig anders als eine normale Werbebotschaft. Hier ist ihr Text, wie in Stein gemeißelt, eine Anklage in Frageform in elf Worten. Riesige schwarze Buchstaben auf blutrotem Grund fragen den Polizeichef Willoughby, warum der grausame Mord an Mildreds Tochter noch nicht aufgeklärt ist.4)

Schwarz auf Rot, das muss erklärt werden, denn die Farbsymbolik ist von außerordentlicher Bedeutung: Aus physikalischen Gründen ist Rot die auffälligste Farbe.5) Die Literatur stellt fest, dass die Symbolkraft der Farbe Rot außerordentlich heterogen ist. „Obwohl mit der Farbe Rot elementare Vorstellungen von Liebe, Leben, Sexualität verbunden sind, ist denkbar, dass Rot in einem Farbfilm konnotativ völlig neu besetzt wird6)7)

Das ist hier der Fall, denn die Farbe steht hier hauptsächlich für Wut, Hass, Aggression -siehe die Redewendungen „Rot sehen“ oder „rot vor Wut“ Das Rot steht für Mildreds Wut und Zorn, aber signalisiert auch, dass es im weiteren Verlauf symbolisch wie tatsächlich eine Schlüsselrolle spielen wird: Blut wird spritzen, wenn der todkranke Willoughby in einer Diskussion mit Mildred Blut, hustet. Es wird fließen, wenn Dixon den für die Plakatwerbung zuständigen jungen Angestellten blutig schlägt oder später im von ihm provozierten Kampf mit dem vermeintlichem Vergewaltiger . Im Film dient das Plakatrot, wie im Alltag auch, als Warnfarbe8) , zum Beispiel bei der roten Verkehrsampel oder in Warnungen wie „Rotes Tuch“, „Rote Liste“ oder „Rote Karte“. Die Botschaft hier heißt: „Jetzt ist es genug, es passiert etwas“. Gesteigert wird der Effekt noch durch die Beleuchtung der Plakate. Unterhalb sind Scheinwerfer angebracht, welche die Billboardtexte auch nachts lesbar machen. Die Perspektive des Lichts von unten nach oben lässt die Szene unheimlicher wirken und verstärkt so die oben geschilderten Effekte. Die Assoziationen zu den nächtlichen Versammlungen des Kukuxklan sind allgegenwärtig. Besonders auch, weil die Billboards gegen den nachtschwarzen Himmel gesetzt werden. So wirkt insgesamt die Farbe wie ein „Urschrei“9).

Dass der Regisseur den Text in schwarz hält, muss ebenfalls erklärt werden. Normalerweise wird in der Werbung die Fondsfarbe Rot mit einer Schrift in Weiß kombiniert. Das erzeugt eine positive und frische Anmutung, zum Beispiel in einer Zahnpasta-Werbung. Warum also Schwarz? Für sie gilt das Gleiche wie für Rot. Der Farbcharakter ist vieldeutig in seiner Symbolkraft. Einerseits wird damit Tod, Leid, Trauer, das Böse symbolisiert. Andererseits steht Schwarz für das Vornehme, Kultivierte, das Distinguierte und Feierliche10). (Bei Einladungen heißt es häufig: „Smoking oder schwarzer Anzug“)

Im Filmzusammenhang ist offensichtlich das Böse, der Tod annonciert, aber auch der latente und offene Rassismus in Ebbing gegen die schwarze Bevölkerung, zum Beispiel bei Dixon. Ein dunkel-düsterer Hinweis auf die immer noch andauernde Diskriminierung auf die Schwarzen im Süden der USA. Auch Willoughbies Selbstmord –bevor er sich erschießt, zieht er sich ein schwarzes Tuch über den Kopf, aus dem dann das rote Blut herausquillt-ist in der Farbwahl eine Parallele zum Rot-Schwarz der Plakate.

Interessant ist, dass Dixon die Botschaften der Plakate in umgekehrter Reihenfolge realisiert Zuerst nimmt der Polizist wahr, dass sein Chef direkt angesprochen wird. Das verwundert ihn aber er telefoniert nicht, weil er bis dahin die anderen Billboards noch gar nicht wahrgenommen hat. Der Text auf Plakat 2 mit der Frage, warum es keine Festnahmen gegeben hat, nimmt Dixon mit gesteigerter Spannung und Ratlosigkeit zur Kenntnis. Erst das dritte Plakat „RAPED WHILE DYING“ zeigt Dixon worum es wirklich geht und er alarmiert Willoughby.

Alles in Allem: Die Lunte brennt, die Zuspitzung der Handlung rollt an. Die Reaktionen von Dixon sind eindeutig. Zu bemerken ist bei ihm ein Kaleidoskop von Gefühlen: Verwunderung und Erstaunen, ein herablassendes Verhalten gegenüber dem Latino und Schwarzen - die Zeiten haben sich geändert der schwarze Arbeiter muss das nicht wehrlos hinnehmen - dann aber Ratlosigkeit und Rückzug auf den Chef, dem eigentlichen Adressaten der Botschaft.


Szene 3: Die Billboards brennen

Zeit Handlung
01.08.00 Mildred und Robby fahren im Auto bei Nacht. Robby erzählt, dass Dixon Welby aus dem Fenster geworfen und schwer verletzt hat.
MILDRED: You are shitting me. Is he okay?
01.08.24 (Nahaufnahme von vorn durch die Frontscheibe) Mildreds Gesicht wird plötzlich von einer warmen Lichtquelle erleuchtet- sie stutzt.
01.08.25 Aus dem Wageninneren sieht man die Billboards in lodernden Flammen
MILDRED: “You are shitting me. Whoa!“
01.08.30 Kamera schwenkt über das Autodach: Das lodernde Billboard 1, der Text „RAPED…ING“ schon halb von den Flammen verzehrt.
Das Auto bremst abrupt vor Billboard 1, Mildred springt mit dem Feuerlöscher hinaus.
MILDRED: Go get the other one from the house.
01.08.40 Robby sieht Mildred laufen und fährt eilig davon.
01.08.43 Mildred schultert den Feuerlöscher und löscht das Feuer von Billboard 1.
01.08.57 (Panorama, Kamera im 90-Gradwinkel) Mildred, sehr klein in der großen Landschaft, sprintet zum Billboard 2.
01.09.09 Mildred schultert erneut den Feuerlöscher und beginnt zu löschen. Der Text ist schon fast vollständig von den Flammen verzehrt.
01.09.23 Mildred steigt die metallene Treppe hinaus nach oben auf die Rückseite.
01.09.33 Mildred löscht die Vorderfront von oben nach unten, wir sehen im Hintergrund Billboard 3 total in Flammen.
01.09.38 Der Feuerlöscher ist leer, Mildred wirft ihn über die Schulter weg.
01.09.45 Robby kommt im Auto mit einem Feuerlöscher, löscht erfolgreich den Rest der Flammen vom Boden aus Mildred taucht auf, will ihm den Feuerlöscher entreißen, er gibt ihn nicht her. Kampf um den Feuerlöscher.
ROBBY: It´s too late
01.10.11 Mildred, mit verzweifeltem und wütendem Gesicht, entreißt Robby den roten Löscher und rennt los.
01.10.15 Robby sieht Mildred hinterher, die stolpernd auf das lodernde Billboard zuläuft, dann langsamer wird und auf die Knie sinkt, den Blick auf den Brand gerichtet.


SZENENANALYSE

Der Höhepunkt; die Billboards stehen im Zentrum. Die Gelb-orangenen Flammen erleuchten mit zuckendem Licht die roten Plakatwände in der schwarzen Nacht. Das zuckende Feuer erinnert den Zuschauer, der Film spielt im Südstaat Missouri, an einschlägige Kukluxklanrituale. Das wirkt dramatisch und unheimlich, symbolisiert den Gemütszustand von Mildreds Wut und Verzweiflung. Ihre Isolierung in Ebbing und die Vergeblichkeit ihres Kampfes drückt sich auch in 01.08.57 aus, wie die winzige Figur zum nächsten Billboard sprintet. Mildred kämpft so gut sie es kann, - aber immer verzweifelter - um die Rettung „ihrer“ Billboards; Sohn Robby hilft mit nach Möglichkeit und versucht Mildred am Ende von dem aussichtslosen Unterfangen zurückzuhalten. Zum Schluss erkennt die pragmatische Frau, die sich durchaus zu helfen weiß, die Zwecklosigkeit: Ihr Kniefall signalisiert hilflose Resignation Mildreds Verhalten in der nächtlichen Szene zeigt all ihre Wut und so steigen ihre Rachegedanken, die sie wenig später umsetzen wird. Die Molotowcocktails, mit denen sie das Polizeirevier in Ebbing in Brand setzen wird und dabei ungewollt Dixons Leben gefährdet, werden symbolisch vorweggenommen. Allerdings mit einer Dialektik: Hier löscht sie Brände, dort legt sie diese.


Szene 4: Ruhiger Ausklang 1.44.13 bis 1.44.40

(Mildred und Dixon laden ein Gewehr in den Kofferraum und biegen von der Auffahrt ihres Hauses in die alte Straße ein)

Die Landschaft im frühen Morgenlicht. Die Farben erscheinen wie durch Nebel gedämpft, es ist aber die Morgensonne, die im Gegenlicht das Kameraobjektiv verschleiert. Mildreds Stationswagon fährt langsam an den links liegenden Billboards vorbei und verschwindet in der Senke. Wir sehen die Rückseite der hölzernen Billboards im typischen Braun vergilbten Holzes, kein aggressives Rot, kein todankündigendes Schwarz. Damit schließt die Szene an die Aufnahmen der Billboards vor dem Vorspann an. Dort sehen wir die drei Billboards in verschiedenen Einstellungen verlassen im grauen Nebel stehen. Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Inzwischen wissen wir, welche bedeutende Funktion die Billboards für die Filmhandlung spielen.


FAZIT

Die vier ausgewählten Szenen, bei denen die Billboards im Vordergrund stehen, spiegeln faktisch und symbolisch die zeitliche Abfolge des gefilmten Handlungsverlaufs wider. Dieser folgt einem schon auf Aristoteles zurückgehendem Dramenschema, das seit der Antike, vielfach theoretisch variiert, auch von Filmemachern benutzt wurde. Die Prinzipien von Story und Plot, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, schildern ausführlich, Beil, Kühne, Neuhaus.11) Und besonders eindrucksvoll Kreutzer u.A12). Im ersten Akt geht es um Einführung, Vorbereitung (symbolisiert durch Szene 1) und allmähliche Spannungssteigerung der Handlung. (Szene2) Der ausführliche zweite Akt beinhaltet verschiedene dramatische Höhepunkte (Szene 3) bevor die kurze beschauliche Schlussfahrt über die Billboards (Szene 4)- in eine offen Zukunft führt.

Das stille Leben in einem Provinznest in den Südstaaten der USA wurde, wir vermuten es, durch den Mord und die Vergewaltigung von Mildreds Tochter aufgeschreckt. Doch die Ermittlungen der Polizei versanden nach einem halben Jahr ohne Ergebnis, eine Tatsache, welche die Mutter nicht akzeptiert. Die altmodischen, nutzlosen Billboards werden von Mildred ins Spiel gebracht und schürzen den Handlungsknoten. Eine öffentliche Anklage mit Schrift im Großformat in den Farben Rot und Schwarz. Die symbolische Bedeutung der Farben, das aggressive Rot und das düstere Schwarz signalisieren Gewalt, Zorn und Aggression. Sie sind nicht nur ein Ausdruck der Gefühle Mildreds sondern kennzeichnen auch die Brutalität der folgenden Filmhandlung. Die in Flammen aufgehenden Billboards der Szene 3 sind eine Parallele und verweisen auf den Höhepunkt der Handlung: Die zornige Mildred setzt mit Molotowcocktails das Polizeiquartier und Dixon in Brand- Rache für die verkohlten Plakate. Deren aggressives Rot symbolisiert und verweist auf das Blut, welches in verschiedenen Szenen vergossen wird.

Das Tempo der Einstellungen variiert mit durchschnittlich 4,42 bzw. 4,30 Sekunden pro Schnitt in den ruhigeren Szenen 1 und 2 nur geringfügig. Die Actionszene der brennenden Billboards allerdings zieht mit durchschnittlich 2,3 Sekunden pro Einstellung das Tempo mit 2,3 Sekunden pro Einstellung auf das Doppelte an.

Die beschauliche Schlussfahrt des Autos und der Kamera lässt zwei Deutungsalternativen zu. Entweder brechen die beiden Hauptfiguren gemeinsam zu einem blutigen Racheakt auf oder –jeder auf seine Weise - von Wut, Hass und Frustration befreit fahren in eine erneut friedlichere Zukunft. Der Autor neigt zur zweiten Version.

Literaturliste

Beil, Kühnel, Neuhaus, Studienhandbuch Filmanalyse, München, 2012

Catherine Gudis, Buyways, Billboards, Automobiles and the American Landscape, New York, 2004

Werner Faulstich, Grundkurs Filmanalyse, Paderborn, 2013

Eva Heller: Wie Farben wirken: Farbpsychologie. Farbsymbolik. Kreative Farbgestaltung. Reinbek b. Hamburg, 2004,

Helmut Korte, Einführung in die Systematische Filmanalyse, Berlin, 2010

Oliver Kreutzer, Sebastian Lauritz, Claudia Mehlinger, Peter Moormann: Film, Fernsehen, Neue Medien, Wiesbaden 2014,

Jacob Loshin, Yale Law School, 2006 https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=902669Property in the Horizon: The Theory and Practice of Sign and Billboard Regulation

Susanne Marschall: Farbe im Kino, Marburg 2005

James Monaco, Film Verstehen, Reinbek b. Hamburg, 2001

Klausbernd Vollmar: Farben. Was sie bedeuten und wie sie wirken; München, 2007

1)
Werbeplakat, 1923, aus : Catherine Gudis, Buyways, Billboards, Automobiles and the American Landscape, New York 2004, S.2
2)
Plakatwerbung eines Hotels ca. 1933, in Jacob Loshin, Yale Law School, 2006 https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=902669Property in the Horizon: The Theory and Practice of Sign and Billboard Regulation , S.18
3)
https://alpina-farben.de/artikel/farbsymbolik-bedeutung-gruen/ „ Grün schafft im symbolischen Sinn eine Basis für neue Pläne“
4)
Susanne Marschall: Farbe im Kino, Marburg 2005, S. 44. „Immer wieder steht die grelle Farbe im Zentrum des Geschehens, ist…Keim und Konflikt einer Geschichte“
5)
Ebd. S. 54 „Rot wird schon auf Grund seiner Wellenlänge zum dominanten Farbeindruck für das menschliche Auge“
6)
Hans J. Wulff: Die signifikanten Funktionen der Farben im Film, in: Ars Semiotika Volume 11 (1988), Tübingen, S. 364-376, zitiert in :Susanne Marschall, S. 38-39
7)
Farbe ist als Gestaltungsmodus nicht auf einen Nenner zu bringen. Susanne, Marschall, S. 39
8)
Eva Heller: Wie Farben wirken: Farbpsychologie. Farbsymbolik. Kreative Farbgestaltung. Reinbek b. Hamburg, 2004
9)
Susanne Marschall, S. 55.“(Maler der Moderne) setzen Rot wie einen Urschrei in Szene, der aus der tiefsten Seele des leidenden Individuums empor drängt
10)
Vollmar, Klausbernd (2017): Farben. Was sie bedeuten und wie sie wirken; Knaur: München
11)
Beil, Kühnel, Neuhaus, Studienhandbuch Filmanalyse, München, 2012, S. 207 f
12)
Oliver Kreutzer, Sebastian Lauritz, Claudia Mehlinger, Peter Moormann: Film, Fernsehen, Neue Medien, Wiesbaden 2014, S. 194ff
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