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Alters- und Generationenbilder im Film: ‚Swimming Pool‘ von François Ozon

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Inhalt
  3. Figurenanalyse
  4. Kameraführung
  5. Raum Licht Farbe
  6. Musik
  7. Dialoge und Geräusche
  8. Schlussbemerkung

1.Einleitung (Barbara Maubach)

Im Zusammenhang des Gasthörer- und Seniorenstudiums an der Universität Köln hat sich seit etlichen Semestern eine Projektgruppe ’Alters - und Generationenbilder im Film’ zusammengefunden, die sich im Sommersemester 2014 und Wintersemester 2014/15 mit dem Film ’Swimming Pool’ des französischen Regisseurs François Ozon befasst hat. Bis dahin wurden von der Projektgruppe Filme vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Darstellung von Altersbildern untersucht. Bei Ozons Film bot sich die Generationenfrage als zentrales Motiv an, mit der sich der Film auseinandersetzt.

Dabei haben sich die Mitglieder der Projektgruppe auf verschiedene Aspekte der Filmanalyse konzentriert und dazu Einzeltexte verfasst. Das erklärt die unterschiedlichen Formen und Stile der Filmbetrachtung und auch mögliche inhaltliche Doppelungen, in denen die Frage nach der Darstellung von Generationenbildern und Generationenbeziehungen im Film ’Swimming Pool’ im Gesamteindruck beantwortet wird.

2.Inhalt

’Swimming Pool’ handelt von einer erfolgreichen englischen Krimiautorin, die im französischen Landhaus ihres Verlegers ihre Schreibblockade überwinden will und nach neuem, anderem Stoff sucht, den sie zu einem Roman entwickeln kann. Dabei trifft sie unvorhergesehen auf die Tochter des Verlegers, von der sie sich zunächst in ihrer Ruhe und dem Versuch zu schreiben, gestört fühlt. Zwischen den beiden Frauen, Sarah und Julie, entsteht sofort eine ablehnende bis feindliche Spannung, die sich aber im Lauf der Filmgeschichte zu einem freundlichen Aufeinanderzugehen und zu einer solidarischen Haltung auf beiden Seiten entwickelt.

Beide Frauen begegnen einander zunächst auf abschätzige Weise. Die ältere Sarah macht aus ihrer Ablehnung von Julies Sexualverhalten mit ständig wechselnden Partnern keinen Hehl, die jüngere Julie äußert recht unverschämt ihre Einschätzung von Sarah als sinnenfeindlicher älterer Frau. Die Spannung kulminiert in einem konkurrierenden Werben um Franck, dem Kellner des Dorfrestaurants, den Julie eines Abends mit nach Hause bringt, ohne ihm zu sagen, dass Sarah, die Franck bereits kennt, das Haus mit bewohnt. In einer erotisch aufgeladenen Tanzsituation zwischen den beiden Frauen und dem Mann wird deutlich, dass er Sarah der wesentlich jüngeren Julie vorzieht. Nachdem Sarah sich aber in ihr Zimmer zurückgezogen hat, kommt es zwischen Franck und Julie zu einem heftigen Streit, bei dem sie ihn mit einem Stein erschlägt. Als Sarah am nächsten Morgen den Mord entdeckt, wandelt sich ihre Haltung gegenüber Julie in die einer schützend solidarischen Älteren, die hilft, den Mord zu vertuschen. Sie übernimmt die Rolle der helfenden älteren Freundin oder gar die Rolle der Mutter, welche die jüngere Julie in einer verzweifelten Lage beruhigt und unterstützt.

Diese Wandlung der beiden Frauen von zwei weiblichen Figuren in einem konkurrierenden Generationenkonflikt zu einer Art Mutter-Tochter- oder auch Freundinnen- und Komplizinnenbeziehung entwickelt Ozon an einem Krimi-Plot, der so geschickt inszeniert ist, dass der Zuschauer/die Zuschauerin nicht weiß, ob die Mordgeschichte die ‚Wirklichkeit‘ der Filmgeschichte erzählt oder die einer Roman-Fiktion in Sarahs gerade entstehendem neuen Buch ist. In beiden Fällen, der ‚wirklichen‘ Filmerzählung und dem Schreiben des Romans, unterstützt Julie den Verlauf der Geschichte, indem sie Sarah mit den Ideen versorgt, die Sarah im Roman verarbeitet. Das ist Julies Beitrag zur Versöhnung im Generationenkonflikt. Sarah hingegen deckt einen Totschlag – einen Totschlag des ‚Objekts der Begierde‘, an dem der Generationenkonflikt symbolisch seinen Ausgangspunkt nimmt.

3. Figurenanalyse (Ingeborg Gerlach)

„Der Film als ein audiovisuelles Medium tendiert zum Sichtbaren, zum Äußerlichen und muss einen besonderen Aufwand treiben, um Inneres – Gedanken, Gefühle, mentale Zustände usw. einer Person – zu gestalten. Deshalb sind Filme generell auch eher Handlungsfilme als Figurenfilme. Umso größer ist insofern auch die Bedeutung der als Handlungsträger tatsächlich eingesetzten Figuren.“ 1)

In ‚Swimming Pool‘ gibt es zwei Protagonistinnen: Sarah und Julie, gespielt von Charlotte Rampling und von Ludivine Sagnier. In diesem Film ist die eine Figur, Sarah, merklich älter als die andere, Julie. Ihre auffällige Verschiedenheit macht beide interessant. Der Zuschauer/die Zuschauerin möchte sie verstehen, teilhaben an ihren Vorhaben und Gedanken, ihr Inneres kennenlernen. Dafür braucht er/sie Hinweise und Fährten, und die liegen, besonders bei Julie, der jungen Frau, noch in ihrer Kindheit; bei Sarah, die Julies Mutter sein könnte, mehr in ihrem Beruf als Schriftstellerin.

Es gibt, so Faulstich, Protagonisten-Paare und andere vertraute Figurenkonstellationen, genrespezifische Rollen, die Typen verkörpern: Als Paare führt er z.B. Sherlock Holmes und Dr. Watson an, Hanni und Nanni, Vamp und biedere Hausfrau.2) – Die auf Gegensätzen beruhende Konstellation von zwei sich nicht bekannten Frauen unterschiedlichen Alters, die einander in dem französischen Ferienhaus des Verlegers der einen, Sarah, und Vaters der anderen, Julie, für eine Zeit nicht aus dem Weg gehen können, ist die Erfindung des Regisseurs und Drehbuchautors des Spielfilms „Swimming Pool“, Francois Ozon. Die beiden Frauen sind in allem völlig verschieden, jede aber ist voller Geheimnisse, Schmerz und Wut; Sarah, die ihren Schaffenszenit als Schriftstellerin hinter sich zu haben scheint, Julie, die sich im Sex verlieren möchte. Wie wurden sie, was sie sind? Und wie verändern sie sich mit ihrem Gegenüber? Das zeigt der Film, lässt aber auch manches auf an- und aufregende Weise offen.

Faulstich erläutert, dass dem ersten Erscheinen des oder der Protagonisten/innen und der Art seiner oder ihrer Charakterisierung bei Filmschaffenden ebenso wie bei den Zuschauenden besondere Aufmerksamkeit gilt. Ziel dabei ist, „die notwendige Glaubwürdigkeit und zugleich Attraktivität“ der Figuren „zu erzeugen.“3)

Im Film sitzt Sarah in ihrer ersten Szene im Zug, blicklos und abweisend. Die Frau schräg gegenüber liest ein Taschenbuch, schaut gedankenvoll hoch, guckt auf Sarah, dann auf das Foto des hinteren Buchdeckels, vergleicht es mit dem Gesicht der Mitfahrerin, hebt erfreut den Kopf und spricht Sarah, die Autorin des Buches, an. Deren harte und abwehrende Miene verändert sich nicht. Nein, ein Irrtum, sie sei es nicht. Aber…, sagt die Frau. Da ist Sarah schon aufgestanden, die Bahn hält, und sie steigt aus. Dann sieht man sie in einer Bar, ein wenig entspannter. Sie trinkt etwas. Dem Zuschauer wird als erstes eine zwar schöne, aber bitter wirkende, humorlose, arrogante und beleidigende Frau präsentiert. Sie hat keine Hemmung, andere Menschen zu kränken. - Diese Szene zeigt, nach Faulstich, eine von drei Arten der Einführung einer Figur: hier die „Selbstcharakterisierung“ der Protagonistin Sarah, durch „ihr Reden, ihr Handeln, ihre Mimik, Gestik, Stimme, ihre Sprache … usw. -“ 4)

Auch Julies erster Auftritt geschieht in Form einer „Selbstcharakterisierung“. Sie taucht nachts mit einem Taxi am Ferienhaus auf, weckt damit Sarah, die einen Einbruch vermutet und, mit einem Kerzenleuchter bewaffnet, leise nach unten tappt. Julie, sich allein wähnend, stolpert ins Haus. Müde, behängt mit Taschen, macht sie Licht, und plötzlich stehen sich die beiden Frauen gegenüber, sehen sich an, mühsam die Haltung bewahrend, stellen sich vor, erklären ihre Anwesenheit und finden merkbar die jeweils andere – hier setzt nach Faulstich die „Fremdcharakterisierung“5) ein – eher unsympathisch, zumindest fremd und überflüssig an diesem Ort. Ihren Ärger, nichts von der Anwesenheit der anderen gewusst zu haben, lassen sie per Telefon am Besitzer des Ferienhauses aus, Julies Vater und Sarahs Verleger. Mit dem Aufeinandertreffen dieser beiden so verschiedenen Frauen wird der Zuschauer/die Zuschauerin auf Spannungen, Missverständnisse, Abneigungsbekundungen, Ärger, auf ‚Krieg‘ vorbereitet. Was er schon ahnt, ist, dass für Sarah das Idyll der letzten Tage, die Ruhe in der Einsamkeit, die ihren Schreibfluss beflügelte, mit Julies Erscheinen abrupt, wenn nicht zu Ende, so doch sehr gestört ist.

Die dritte, die „Erzählercharakterisierung“ der Figuren, kann, nach Faulstich, durch „zahlreiche Bauformen des Erzählens“6) , deren Einsatz hier der Regisseur und Drehbuchautor Ozon bestimmt hat, ausgedrückt werden. Priorität hat in diesem Film der Swimmingpool, anfangs mit einer Plane zugedeckt, später, geöffnet und gesäubert, eine ganz spezielle Bühne für Julie, die ihn, gern nackt, meisterhaft durchtaucht oder an seinem Rand, die eine Hand, den einen Fuß im flirrenden, eisblauen Wasser, ihren reizvollen, gebräunten Körper in knappster Badebekleidung lustvoll genießt und ausstellt und damit die sie heimlich beobachtende so viel ältere Frau reizt. - Erst nach einigen Tagen steigt Sarah allein in diese himmelspiegelnde bewegte Kühle, dabei offensichtlich Julie nachahmend, deren jugendlich-unbefangen-provozierenden Schwung sie aber nicht erreicht, schon gar nicht ihre Freude an sich selbst und der Bewegung. Später geschieht am Rand des Pools ein Verbrechen. Oder ist es eine Phantasie der Krimi-Autorin Sarah?

Für sie steht zum einen das verdoppelte, sogar das verdreifachte Spiegelbild, in dem der Zuschauer/die Zuschauerin sie ein-, zweimal sieht: Weit weg, vervielfacht. Was sagt diese Verdoppelung, die Dreifaltigkeit? Was fühlt diese kluge, erfolgreiche, einsame, ältere Frau? Verwirrung? Die Fragwürdigkeit ihres zementierten Selbstbildes? Eine Veränderung in ihrer erstarrten Gefühlswelt, deren Ausdruck die Beobachterposition von ihrem Balkon aus ist, „von oben“ also. Von dort überblickt sie einen Teil des Gartens und den Swimming Pool. Von dort beobachtet sie auch die Junge, Schöne mit dem aufreizenden Benehmen, das sie so verachtet.

Protagonisten, so Faulstich, sollen „runde“, also komplexe Charaktere haben, „gekennzeichnet von großer Vielfalt und durchaus auch von Gegensätzen und Widersprüchen, die eine Figur erst wirklich lebendig erscheinen lassen“.7) Um als komplexer Charakter zu erscheinen, sollen sie „eine persönlichkeitsmäßige Veränderung“ durchlaufen, „das heißt, die Figur(en)“ sind „am Ende des Films nicht mehr die, die sie noch am Anfang war(en)“.8)

So wirft Sarah im zweiten Drittel des Films – da wissen die Frauen schon mehr voneinander, sind sich auf ausbeuterische Art, Sarah, auf eher lügenhafte Weise, Julie, näher gekommen – verborgen in der Dunkelheit, einen Stein in den Swimming Pool. Weil sie sich von der aggressiven Sexszene gestört fühlt, die Julie mit Franck, dem netten Mann vom Restaurant, am Poolrand aufführt? Weil sie eifersüchtig ist? Denn Franck hatte sich kurz vorher, als die Drei im Kaminzimmer tanzten und kifften, mehr für Sarah interessiert als für Julie und deren zwanghaft-süchtige Verführungsoffensive. Sarah hört noch, dass Franck Julie abwehrt und geht, nun mit Ohrstöpseln, wieder zu Bett.

Der Regisseur und Drehbuchautor Ozon gilt als Meister der Vermischung von Realität und Fiktion. Er spielt mit dem, was der Zuschauer/die Zuschauerin sieht oder zu sehen meint, mit der scheinbaren Eindeutigkeit der Handlung, der Glaubwürdigkeit von Bildern und den Worten der Darsteller/innen. Nach Faulstich ist auch das eine „Erzähler-Charakterisierung“9) . Ozons mehrdimensionale Figuren sind, fast wie im richtigen Leben, undurchschaubare Wesen. Sie geben Rätsel auf, die nicht gelöst werden können: Es gibt Spuren, Hinweise, die allem Anschein nach zu einem Mord führen, der aber auch nur im Kopf der versierten Krimiautorin Sarah stattfinden könnte, was wiederum lediglich durch eine Szene erhärtet wird, in der Sarah, ohne Ohrstöpsel, Beischlafgeräusche hört, die sie, die jetzt wie erweckt wirkende ältere Frau, träumen lässt oder begehrlich stimmt. Fiktion in der Fiktion oder fiktive ‚Wirklichkeit‘? Beides würde passen, beides wäre denkbar. Ozon spielt kunstvoll mit den Möglichkeiten seiner Figuren und verweigert den Zuschauenden Klarheit und Eindeutigkeit; die er jedoch sehen und hören lässt, wie Julie versucht, Franck zum Bleiben zu überreden. Man sieht, wie sie ihn festhält, wie der sich losmacht, ihr den Rücken zuwendet und wie sie, nackt hinter ihm, stöhnend mit einem wie in Trance ertasteten Stein immer wieder auf seinen Kopf schlägt, bis er sich nicht mehr bewegt.

Julies Zusammenbruch danach – sie hat Bewusstseinsstörungen, hält Sarah für ihre Mutter und klammert sich verzweifelt an sie – bringt die beiden Frauen zusammen, macht auch die Veränderungen zwischen ihnen und ihre, wenn auch ambivalenten Annäherungen, deutlicher. Das Interesse aneinander, an ihren Geheimnissen und Verwundungen dient zwar immer noch, stärker bei Sarah, auch dem Kampf um Überlegenheit und Vorherrschaft, aber die verächtliche Ablehnung der anderen hat sich abgeschwächt. – Dennoch bleibt bis zum Ende eine untergründige Spannung, eine Art Vorsicht zwischen den beiden Frauen, allerdings angereichert durch Respekt. Sie haben sich verändert im Lauf des Films, sind offener füreinander, empfinden Nähe und entwickeln Interesse.

Sarah, die am anderen Morgen Blutspuren entdeckt und dann ein Kleidungsstück von Franck und schließlich dessen Leiche im Schuppen, hilft Julie, die Tat zu vertuschen. - Wieder die Frage: Fiktion in der Fiktion ihrer imaginierten Kriminalromanhandlung? - Sie begraben den Toten in der folgenden Nacht. Bei all dem führt Sarah Regie, spielt ihre neue Rolle als mütterliche Helferin in der Not perfekt. Ihre Recherchen über den toten Franck sind auch für Julie wichtig und sehr beruhigend: Er lebte allein und war oft und länger nicht zu Hause.

Die Krimi-Handlung, eine Kopfgeburt der versierten Autorin Sarah Morton, die für ihr neues Buch in einer Art Übersprungsdenken von den vertrauten Verbrecherszenarien auf die ihr unvertraute Gefühlsebene gewechselt hat? Auf der Suche nach einem effektvollen, zwischenmenschlichem Stoff, für den sie Julies Tagebuch und das Buch von Julies Mutter ausbeutet, dazu den lebenden Franck, Marcels Tochter, John, den Verleger, dessen Ferienhaus im Luberon, auch sich selbst als eine nun veränderte Frau, älter geworden, dafür mit reichlich Lebenserfahrung: all das zum Nutzen ihres neuen Manuskripts. So entsteht ein Buch, das sie ihrem Verleger vorlegt, dem das Manuskript gar nicht gefallen hat, weil sie Gefühle nämlich ‚nicht könne‘. Ein Verlegersatz fürs festgelegte Zugpferd, der sie sichtbar nicht berührt, sondern amüsiert. Sie ist jetzt eine andere, die zu dieser Weiterentwicklung die anerkannte Könnerschaft ihrer alten Identität benutzt: ein Verbrechen ent- und aufdecken und unter Umständen auch verdecken. Und solche Umstände gab es. - Zutreffend bleibt auch hier: „Der Film […] tendiert zum Sichtbaren […] und muss einen besonderen Aufwand betreiben, um Inneres – Gedanken, Gefühle, mentale Zustände usw. einer Person – zu gestalten“.10)

Der „besondere Aufwand“11) dieses Films liegt darin, unter der (Krimihandlungs-)Hand und mit ihrer Hilfe die Rivalität, schließlich die Annäherung und die Solidarität zweier Frauen, die Mutter und Tochter sein könnten, deutlich zu machen. Ohne diesen Aufwand gäbe es keine überzeugende Nähe zwischen ihnen, keine Veränderungen, die sie zu komplexen Figuren machen, keinen Anlass, der diese beiden Frauen zusammenführen und (er)lösen könnte. Der Zugriff auf das Motiv des Generationenkonflikts macht ihre Reifung zu „runden“ (Faulstich) Film-Persönlichkeiten glaubhaft: Ihr Aufeinandertreffen war eine Prüfung, aus der die beiden nicht ohne List, Kampf und Provokation als Ebenbürtige hervorgehen, verändert und in gegenseitiger Achtung und sogar Zuneigung.

Protagonisten sind, so Faulstich, „mehrdimensionale Figuren“, Nebenfiguren dagegen eher flach, eindimensional und typisiert, was ihre jedoch Bedeutung nicht schmälert.12) Eine der Nebenfiguren ist Marcel, Faktotum und Gärtner in dem abgelegenen Feriendomizil. Er entdeckt, wie Sarah vom Balkon aus die frischen Bodenveränderungen beobachtet, unter denen Franck vergraben liegt, was sie veranlasst, Marcel mit eindeutigen Gesten in ihr Bett zu locken. In dieser Szene erscheint sie verändert: entspannt, emanzipiert und sich ihrer sexuellen Attraktivität bewusst.

Vier Generationen treten in Francois Ozons Film auf: Sarahs Vater und Marcel sind die Ältesten, Julie und Julia die Jüngsten. Dazwischen liegen Franck und die kleinwüchsige Tochter von Marcel. Wie John, der Verleger, Nebenfiguren, mit genauen Strichen auf wenige Eigenschaften festgelegt. John und Sarah bilden altersmäßig die vierte Generation. Alle, außer Franck, haben ein familiäres Umfeld, das im Film aber, außer für Julie, kaum eine Rolle spielt. Sie sind Töchter: Sarah, Julie, Julia und Marcels Tochter, sie sind Väter: Marcel, Sarahs Vater und John. Nur er und seine englische Tochter Julia zeigen sich einmal in zärtlicher Begrüßungsnähe. Eine Unsichtbare, Julies tote Mutter, ist eine einflussreiche, sogar mächtige Größe in diesem Figuren-Schach, geliebt und benutzt von ihrer schönen, gefährdeten Tochter.

Der Film begann mit Einsamkeit und Kälte, kam zum Reden, steigerte sich zu einem Machtkampf zwischen Julie und Sarah, zu Eifersucht, Lügen, Betrügen. Und zur Vertuschung eines Mordes, durch den sich die beiden Frauen solidarisieren. Ihr Abschied in Frankreich endet zwar in der räumlichen Distanz von Garten und Balkon, die eine Ablösung signalisiert, aber mit viel Winken und Lächeln.

4. Kameraführung(Barbara Maubach)

Eine gute filmische Erzählung braucht eigentlich keine Sprache. Sie lebt von der Aneinanderreihung von Bildern, die in ihrer Abfolge wechselnde Ansichten eines Geschehens liefern. Diese wechselnden Ansichten können auf vielfältige Weise erreicht werden. Sie entstehen dadurch, dass die Kamera ständig ihre Position ändert, ihren Abstand zum Geschehen verlagert, Ausschnitte von Bildern näher oder weiter heranzieht oder Bildfolgen mit mehr oder weniger harten Schnitten verschiebt oder gar mit völlig anderen Inhalten anfüllt, als wir in der bisherigen Abfolge der Bilder erwarten. Hickethier13) weist darauf hin, dass wir „als Zuschauer/innen aufgrund der kulturellen Konventionen (erwarten), dass der Bilderfluss durch unterschiedliche Einstellungsgrößen und einen ständigen Wechsel der Perspektiven bestimmt wird.“14) Damit verbunden ist die Perspektive, mit der die Kamera den Blick des Zuschauers/der Zuschauerin auf den Ablauf des Geschehens lenkt. Er hat durch das Auge der Kamera den Eindruck, „er blicke auf etwas, was ihm wie Realität präsentiert wird“.15) Der Zuschauer begibt sich also ’freiwillig’ in die von der Kamera vorgegebene Bildstruktur und Folge, um ein fiktionales Geschehen wie eine reale Geschichte zu erfahren.

Die Kamera bleibt bei diesem Vorgang unsichtbar, aber ihre Einstellung und (ihr) Blickwinkel sind konstitutiv für die Erzählung der Geschichte und damit für Verständnis und Interpretation des Geschehens. Um zu erkunden, wie sie als unsichtbares Instrument das Auge der Zuschauenden lenkt und damit ihre Imagination beeinflusst oder auch den zur Story gehörenden Text interpretierend begleitet, ist es wichtig, „die Einstellungen und Blickwinkel, die den Dingen ihre Form geben“16), zu analysieren.

In Ozons Film ’Swimming Pool’ soll an einigen Szenen exemplarisch aufgezeigt werden, wie die Kameraarbeit Phantasie und Verständnis des Zuschauers entwickelt, lenkt oder auch bewusst irritiert. Dazu werden Szenen ausgewählt, an denen sich die Darstellung der beiden Protagonistinnen als Vertreterinnen zweier Generationen gut aufzeigen lässt; besonders aber auch ihre sehr verschiedenen Rollen. Sarah, die ältere, erfolgreiche Schriftstellerin, zunächst verbittert, trocken und prüde wirkend, und Julie, die jüngere, als sinnlich attraktive Frau, die nichts zeigt als ihre sexuellen Reize, mit denen sie wahllos Männer ins Bett lockt.

Nachdem die beiden Frauen einander in einer heftigen nächtlichen Szene als gegenseitige Überraschung im Haus Johns, dem Verleger von Sarah und Vater Julies, begegnet sind, schließt der Abend damit, dass Sarah sich in ihrem biederen Nachthemd, in dem man sie auch vorher schon durch Haus und Garten hat gehen sehen, zu Bett begibt.

Es folgt ein harter Schnitt und in das Geräusch von fließendem Wasser hinein blickt die Kamera auf den Wasserhahn am Ende einer Badewanne, aus der das Wasser rauscht. Ein nackter Fuß und Unterschenkel bewegen sich auf den Hahn zu, den der gestreckte Zeh schließt. Der Fuß verschwindet im Badeschaum, und die Kamera fährt sehr langsam an der Wanne entlang auf den oberen Teil der Wanne zu, wobei zunächst nur Badeschaum, dann nackte Knie sichtbar werden. Das Auge desZuschauers bewegt sich mit der Kamera langsam weiter über den Schaum bis zum Oberkörper Julies, deren nackte Brüste und ein Arm mit rauchender Hand sichtbar werden, bis die Kamera auf Julies Gesicht und Oberkörper verweilt. Die Armbewegung, mit der sie die Zigarette zum Mund führt, vollzieht sie sehr langsam, ihr Gesicht erscheint völlig leblos, die Augen sehen ziellos in die Ferne. Die Einstellung der Kamera auf den Körper Julies bleibt in der Halbtotale, bis sie sich beim Blick auf ihre Brüste und das ruhige Gesicht zur Totalen weitet. Die Szene wirkt in der langsamen Entdeckung der schönen nackten Julie überaus sinnlich, beinahe lasziv. Sie zeigt eine junge Frau, die die Lust des Badens und das Wohlbehagen ihres Körpers beinahe ohne Bewusstsein genießt.

Das Ganze ist in langsamer Großaufnahme gefilmt, die der Szene eine zentrierte Geschlossenheit gibt (22’42“ - 23’14“). So wird Julie vorgestellt, sehr im Gegensatz zu Sarah, die man in wenig attraktivem Nachthemd umherwandern sieht. Man kann ihren schönen Körper erahnen, der aber zunächst keine erotischen oder gar sexuellen Phantasien provoziert.

Zwei Szenen weiter begleitet die Kamera Sarah in die Küche, parallel und in Nahaufnahme. Man sieht zunächst ihren Oberkörper, ihr Gesicht im Halbprofil von links vorn in Nachthemd mit Morgenmantel. Dann schwenkt die Kamera und wandert mit dem Auge des Zuschauers von oben nach unten, vom Gesicht Sarahs auf den Küchentisch und verweilt dort in der Totale, wo Julie verschmutztes Geschirr mit Essensresten, herumliegendem Brot und eine angebrochene Flasche Wein zurückgelassen hat, die einen angewiderten Ausdruck auf Sarahs Gesicht bewirken. Eine kurze aber charakterisierende Szene für beide Frauen. Auch das sagt Wichtiges über Julie und darüber, wie Sarah auf sie und ihren Lebensstil reagiert.

Die Gegenüberstellung der beiden Frauen setzt sich in den folgenden Szenen fort (24’35“ – 25’35“) und wird in wechselnder Einstellungsperspektive aus der Vogel – und der Froschperspektive der Kamera festgehalten. Sarah sitzt tippend auf der Terrasse vor ihrem Zimmer, hört eine Tür klappen und verfolgt Julie von oben mit ihrem Blick, wie sie in Hemd und Shorts die Stufen in den Garten und zum Pool hinuntergeht. Die Kamera schwenkt und der Zuschauer sieht von unten auf Sarah, wie sie Julie beobachtet, jeweils in der Halbtotale, die die Frauen in ihre Umgebung einbindet. Bei diesem mehrmaligen Hin und Her fällt Sarahs Blick aus beobachtender Position einmal auf die leuchtend rote Luftmatratze, die als Symbol von Julies aktiv erotischer Präsenz öfter im Film auftaucht, dann auf die inzwischen nackt im Pool schwimmende Julie. Der ständige Perspektivenwechsel der Kamera im Blick auf Julie und Sarah provoziert beim Betrachter den unbewussten Vergleich der beiden Frauen, die eine nackt im Pool, die andere von oben in der Beobachterposition mit ihrem Laptop und ausgedruckten Blättern voller Text hantierend. Das verstärkt die in der vorherigen Szene schon angedeutete Charakterisierung der Figuren, die eine sinnlich - erotisch, von ihrer sexuellen Lust geleitet, die andere diszipliniert, eine erfolgreiche nicht mehr junge Frau, streng und unfroh wirkend, inzwischen immerhin in eine freundlich figurbetonende Bluse gekleidet, auf Beobachterposition aus der Distanz und von oben die Jüngere mit ihrem Blick verfolgend, von der sie sich gestört fühlt. Die Spannung zwischen den beiden Frauen wird durch diese Kameraführung deutlich, und es deutet sich hier schon eine Konkurrenz der beiden Protagonistinnen an, die sich im Laufe des Geschehens verdichtet.

Nach einem Ausflug ins Dorf und dem ihr von Franck empfohlenen Besuch auf der Burg des Marquis de Sade kehrt Sarah ins Haus und ihr Zimmer zurück. Nach einem Blick auf ihren Laptop legt sie sich auf ihr Bett, ein Kissen unter den Kopf gezogen. Es folgt ein harter Schnitt und man sieht nackte Frauenfüße am Pool entlang gehen, parallel wird ein Käscher bewegt, der zum Auffangen der Blätter durch das Wasser geführt wird. Diese Halbtotale wird plötzlich abgeschnitten und die Kamera fällt auf den nackten Fuß und Unterschenkel einer Frau, dann wandert sie in der Totale am wunderschönen glatten Bein der Frau hoch, über ihren Körper in weißem Badeanzug entlang bis zum Gesicht Julies, das mit geschlossenen Augen völlig entspannt wirkt (39’35“). Die Parallele zur Badewannenszene ist deutlich. Hinter ihrem Kopf erscheinen in der Halbtotale zwei nackte Männerbeine, an denen die Kamera sehr ruhig hochfährt über eine knappe Badehose und einen nackten Oberkörper bis zum Gesicht Francks, der mit geöffneten Lippen, stöhnend über Julie steht und auf sie herabblickt. Die Kamera fährt langsam am Körper Francks wieder herab, gleitet über seine Hand, die sich über sein Glied gelegt hat, weiter abwärts über das Gesicht Julies, die inzwischen mit geöffneten Augen seine Geste verfolgt, und fährt am Körper Julies entlang wieder zurück auf ihre Beine zu, während Julie ihre Hand in einem selbst befriedigenden Akt zwischen ihre Beine führt. Die Kamera fängt diesen Akt der Selbstbefriedigung in einem Schwenk aus verschiedenen Positionen ein, gleitet zurück zum Gesicht Julies und in einem Schwenk dann auf das Gesicht Francks. Die gesamte Szene ist in der Totale gefilmt und wird von erregtem Stöhnen der Beiden begleitet. Das Auge des Zuschauers wird ganz von der Kamera geleitet, und durch die Aufnahmen in der Totale wird der Zuschauer vollends in das Bild hineingezogen und nimmt damit sehr unmittelbar an der Erregung teil, die sich zwischen den beiden Protagonisten entwickelt. Damit wird die Szene überaus real und erscheint als Teil der Geschichte, die sich im Haus des Verlegers abspielt.

Ein harter Schnitt (40’41“) zeigt das Gesicht Sarahs der Kamera zugewandt, im Halbdunkel schlafend, in der Totale eingefangen. Sie öffnet allmählich die Augen und man hört im Hintergrund ein deutlich erregtes Stöhnen durch die Wand, das sich verstärkt. Sarah greift nach ihren auf dem Nachttisch liegenden Ohrstöpseln, lässt sie aber liegen und die Kamera verweilt eine Zeit lang in der Halbtotale auf den ungenutzten Stöpseln, wie um deutlich zu machen, dass Sarah sogar schlafend das Stöhnen gehört hat. Das legt nahe, dass die Szene zwischen Julie und Franck am Pool eher einem Traum oder einer Phantasie Sarahs entsprungen ist, angeregt durch die Geräusche, die sie ohne Ohrstöpsel hören konnte. Die folgende Szene, in der Sarah durch einen Blick in Julies Zimmer erkundet, woher das Stöhnen kam, bestätigt, dass sie mit einem weiteren Mann die Nacht verbracht hat, keineswegs aber mit Franck. Nachdem Sarah im Garten Julies Slip gefunden hat, entwickelt sich daraus die Entdeckung ihres Tagebuchs, und man sieht Sarah mit dieser Inspirationsquelle neben ihrem Laptop eifrig tippen, die Hände in der Totale von oben gesehen, die Finger in flinker Aktion. Sarah selbst erscheint zweifach gebrochen in zwei Spiegeln, sodass sie in einem doppelten Spiegelrahmen erscheint (49’09“), ein Hinweis auf die Rolle der Fiktionalität, die in ihrem Schreiben und in der erzählten Filmgeschichte eine verwirrende Bedeutung einnimmt.

Es folgt ein harter Schnitt, die Kamera schaut von oben auf den leuchtend blauen Swimming Pool, dessen Wasser sich bewegt, und auf die darin schwimmende Sarah, die von der Kamera in den gleichen Bewegungen festgehalten wird wie vorher Julie, als sie mit langen Schwimmzügen durch den Pool gleitet. Ein weiterer Schnitt und die Kamera blickt auf die nackten Füße und Unterschenkel Sarahs. In der gleichen Einstellung wie vorher bei Julie folgt sie dem Körper Sarahs, der trotz des Altersunterschieds zu Julie sehr wohl geformt ist und endet beim Hochfahren an den, in diesem Falle, bekleideten Männerbeinen des Gärtners, der reglos über ihr steht. Nach hartem Schnitt verharrt die Kamera eine Weile in der Totale auf dem bewegten Pool, bis man ein lautes Klatschen hört, das von Julies Sprung in den Pool rührt, während die Kamera auf Sarah blickt, die in der Halbtotale in einem Liegestuhl erfasst wird und aufschreckt. Sie richtet sich mit einem Ruck auf, schaut auf den Pool, und die Kamera schwenkt mit ihrem Blick auf das Wasser, in dem Julie mit langen Zügen schwimmt und dann ihren Kopf aus dem Wasser erhebt, um Sarah anzuschauen. In Schuss und Gegenschuss wechselt die Kamera auf die Gesichter der beiden Frauen, die sich dieses Mal auf Augenhöhe beinahe feindlich betrachten, auch noch als Julie aus dem Pool steigt.

Die Parallelisierung der beiden Szenen, in denen die Frauen am Rand des Pools liegen, bewirkt beim Betrachter deutlich Vergleiche zwischen den beiden. Trotz des Altersunterschiedes erscheint Sarah attraktiv, auch wenn ihre Ausstrahlung bei weitem nicht den sexuellen Akzent hat, den die Kamera Julie stets anheftet. Die Perspektive von oben spielt immer wieder eine Rolle, Sarah in Beobachterposition vom Balkon oder hinter ihrem Fenster auf Julie im Garten und Pool herabsehend, ist auch Zeichen der verschiedenen Positionen in der Beziehung der beiden Frauen. Die zwar zunächst unattraktive, aber als Persönlichkeit gewichtigere Ältere gegenüber der hilflos rotzfrechen Jüngeren, die zunächst mit nichts anderem als ihrer sexuellen Attraktivität haltlos herumsucht in dem Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe .

Dieses Gefälle ändert sich im Lauf der Geschichte, wobei unklar bleibt, ob die Veränderung sich auf der Ebene der ‚realen’ Filmerzählung oder in Sarahs unter dem Ordner ‚Julie’ neu erfundenen Erzählung ereignet.

Die untersuchten Szenen sind aber nicht nur im Hinblick auf die Generationenbeziehung interessant, sie enthalten auch Hinweise auf den Übergang von ‚realer’ Geschichte zur Fiktion in Sarahs Schreiben. Das Aufschrecken Sarahs aus dem Schlaf oder immer wieder die Sicht auf Sarahs Hände beim Schreiben, eingebunden in Spiegelrahmung, sind Elemente, die auf den fließenden Übergang von der Filmerzählung in Sarahs Erzählfiktion gesehen werden können. Darüber hinaus wird bei der Szene am Pool deutlich, dass Franck in der Imagination Sarahs zu einer Zeit auftritt, die vor seinem ‚realen’ Ankommen im Haus spielt, das geschieht erst später abends mit Julie. Ähnliche Grenzüberschreitungen führen auch in anderen Szenen zur Irritation des Zuschauers, der nicht genau verorten kann, ob z.B. der Mord an Franck in der Filmgeschichte ’real’ oder in Sarahs Roman geschehen ist. Kleine Hinweise wie die oben beschriebenen lassen aber vermuten, dass Ozon den Zuschauer nur sehr geschickt verwirren will. Bei genauer Analyse lassen sich aber sehr wohl zwei Erzählungen ausmachen, die durch gekonnte Grenzüberschreitungen mit einander verwoben sind.

5. Raum, Licht und Farbe (Gerda Wieschermann)

Raum

Nach Knut Hickethier stellt der „filmische Raum“ Nähe bzw. Distanz her - eine fiktive Nähe, denn der reale Abstand zwischen Zuschauer und Leinwand bleibt ja gleich. Ein „filmischer Raum“ entsteht durch Raumsegmente und unterschiedliche Kameraperspektiven, er wird so zu einem „diegetischen, narrativen Raum“17), in dem der Zuschauer einzelne Segmente zu einem Ganzen zusammenfügt. Der Erzähler bildet nicht den Raum ab, in dem etwas geschieht, sondern er erschafft durch die Kameraführung einen fiktiven, wahrgenommenen Raum, der Teil der emotionalen Steuerung ist. Ein solcher Raum entsteht durch die Intention des Erzählers, er unterstützt die Handlungsstrukturen, Figuren und Stimmungen: „Die Figuren sind durch ihren Umraum geprägt und prägen wiederum diesen“18). Spezifische Raumsituationen rufen im Zuschauer die Wahrnehmung seelischer Zustände der Figuren hervor. Blicke durch Fenster, Türen und in Spiegel heben die Begrenzung des Raumes auf, der Zuschauer wird zum Mitwisser, Voyeur, Teilhaber einer Fiktion.

Ausstattungsräume sind die Deutung der Figur durch den Raum, in dem sie sich bewegt.

„Natur“ als Raum im Film ist nie neutrale Wirklichkeit, sie hat immer die Funktion, die Handlung oder eine Figur zu unterstützen, zu konstruieren.19)

Ozon hat in seinem Film 'Swimming Pool' verschiedene Innenräume gewählt: das Büro des Verlegers, die Wohnung Sarahs, das Ferienhaus in Frankreich. Sarahs Wohnung ist ein gutes Beispiel für die Funktion eines Raumes: Bücherwände, alte englische Möbel, ein Schreibtisch und eine gewisse Enge konstruieren eine gutbürgerliche, wohlhabende, intellektuelle, etwas einsame Figur, die offensichtlich der älteren Generation angehört.

Im französischen Ferienhaus fällt auf, dass der Zuschauer nur vier Räume des großen Hauses sieht: den Wohnraum mit offener Küche im Erdgeschoss, Sarahs Schlafzimmer, Julies Zimmer und den Gang zu diesen Zimmern im Obergeschoss. Der Wohnraum strahlt Behaglichkeit aus (warme Naturfarben, ein Kamin, Bücher, gemütliche Sitzmöbel). Er hat sofort eine Wirkung auf Sarah, sie lächelt, fühlt sich wohl, eine Veränderung ihrer Stimmung bahnt sich an.

Sarahs Schlaf- und Arbeitsraum enthält nur wenige Möbel: ein großes Bett mit Tischchen, einen Schreibtisch, einen Sessel. Ein Raum in warmen Farben und südlichem Licht, ein kreativer Raum, in dem die neue Geschichte entsteht. Er öffnet sich hell nach draußen (Blick in den Garten und auf den Pool) und drinnen(Spiegelungen sowohl in der Fensterscheibe als auch in den sich gegenüberliegenden Spiegeln im Zimmer). In seiner Konzentration auf wenige Dinge schafft dieser Ort einen Raum für Fiktion (träumen im Bett, schreiben am Schreibtisch, tagträumen beim Blick aus dem Fenster).

Julies Zimmer ist absolut karg eingerichtet, eher wie ein Provisorium: eine Matratze auf dem Boden vor einer terracottafarbenen Wand und ein kleiner Schrank zeichnen eine Figur, die auf der Durchreise ist, unstet, ohne Lebensmittelpunkt.

So konstruieren schon die Räume die Differenz zwischen den beiden Hauptfiguren: zwei Frauen, zwei Generationen, zwei Lebenseinstellungen treffen aufeinander. Doch die Entwicklungslinien dieser beiden begegnen sich im Laufe der Filmgeschichte, kommen sich näher, sie vermischen sich sogar. Die Frauen tauschen die Räume: Julie liegt auf Sarahs Bett vor ihrem ´Zusammenbruch`, Sarah liegt in Julies Zimmer nach der ´Verführung` Marcels. Die Polarisierung der Generationen ist aufgehoben, für eine kurze Zeit begegnen sich zwei Individuen in einem kreativen Prozess, aus dem beide verändert in ihr weiteres Leben gehen. Sarah hat sich emanzipiert von ihrem Verleger und aus ihrer eigenen Schreibblockade gelöst, Julie gesteht sich selbst Trauer und Schmerz in ihrer Vergangenheit ein und lässt zu oder genießt es sogar, dass Sarah in ihr Fiktion und Realität verbindet.

Licht und Farbe

Ähnlich wie filmische Räume schaffen auch Licht und Farbe Atmosphäre und Konturen der Figuren. Die Anfangsszenen in diesem Film zeigen das Blau-Grau der Themse und des Londoner Himmels - ein Stimmungsbild Sarahs entsteht im Zuschauer: etwas trostlos, ältlich und freudlos.

Die ersten Bilder Frankreichs dagegen sind heller, blauer, mit mehr Glanz. Hier erfüllt der Regisseur die Erwartungen, die der Zuschauer mit den gegensätzlichen Orten und der Einführung in die Geschichte verbindet. Vergleicht man jedoch die Innenräume der Londoner Szenen mit denen im französischen Ferienhaus, so ergibt sich eine große Übereinstimmung: sowohl das Londoner Büro und Sarahs Wohnung als auch die Räume in Frankreich sind in ein freundliches Licht und warme behagliche Farbtöne getaucht. Die Wohn- und Arbeitsräume, vom Menschen gestaltet, ähneln sich, Sarah und ihr Verleger spiegeln denselben Kulturraum.

Die Inspiration des Neuen wird durch den Blick nach draußen deutlich:

der Pool wird zum Leitmotiv einer Geschichte. In der Sequenz 38`32 sieht man zum ersten Mal das helle, flirrende Blau des Wassers, als Julie in langsamen ruhigen Zügen unter Wasser schwimmt. Ozon sagt in einem Gespräch über den Film, der Pool sei „eine Leinwand“, eine Projektionsfläche also, auf der kreative Prozesse entstehen. Es gibt eine Reihe von Parallelen in der Darstellung: mit derselben Kameraeinstellung werden Julie und Sarah gezeigt, wie sie unter Wasser schwimmen und wie sie auf dem Beckenrand liegen und sich im Wasser spiegeln (50`13), hier verbinden/vermischen sich die Figuren im imaginierten Raum.

Es gibt eine weitere, ähnlich blaue Fläche: Sarahs Computerbildschirm füllt die gesamte Leinwand aus, als sie den neuen Ordner `Julie´ anlegt, es ist der Anfang eines neuen kreativen Prozesses, des neuen Romans (44`00). Auch hier überlagern sich die Figuren, die Generationenbilder: Julie konstruiert ein Lebenskonzept, nicht zuletzt im Hinblick auf Sarahs Roman, und Sarah macht Julie zu ihrer Romanfigur. Autorin und erzählte Figur vollziehen einen Rollentausch.

Neben den vielen warmen Naturfarbtönen (Luberon) gibt es einige auffallende Farbakzente in rot: Julies Luftmatratze (46`65), eine kleine rote Mohnblume auf dem Rasen neben dem Pool (23`11) und das rote Kleid, das Sarah im Schrank vorfindet und das sie in der Verführungsszene und in der Schlussszene trägt(1.24`30). In unserem Kulturkreis steht die Farbe rot für Freude, Leidenschaft, Liebe und Erotik, aber auch für Aggression und Zorn. Die rote Luftmatratze mag für die provozierend andere Lebensweise der jungen Julie stehen, die Mohnblume wie ein Blutstropfen das grausige Geschehen vorwegnehmen. Das Kleid, das Sarah am Ende trägt, zeigt sie lebendig, erotisch. Die polarisierende Abgrenzung zwischen den beiden Frauen und Generationen scheint aufgehoben, ohne dass ihre Individualität beschädigt wurde.

6. Musik in ‚SWIMMING POOL’ (Ulrich Teiner)

Werner Faulstich20) unterscheidet zwischen „Musik im Film“ und „Filmmusik“. Musik im Film ist Musik als Teil der Handlung, wenn also die Protagonisten ein Konzert hören oder zu Musik tanzen. Filmmusik ist Musik im off als dramaturgisches Element, als „eine Bauform des Erzählens.“21) Filmmusik dient in der Regel der „Emotionalisierung der Filmhandlung“22) , indem sie illustriert oder steigert, psychische Befindlichkeiten der Protagonisten ausdrückt oder die Aufmerksamkeit des Zuschauers beeinflusst. Im Film ’SWIMMING POOL’ finden sich beide Formen der Filmmusik.

Drei Beispiele für den Einsatz der Filmmusik:

38’32“ - 39’08“ Julie schwimmt, Sarah schaut zu, Vergleichsweise starke Orchestermusik wirkt spannungssteigernd in Hinblick auf den zu erwartenden Konflikt zwischen der jungen und der älteren Frau.

57’57“ – 59’09“ Julie erzählt beim Abendessen von ihrer Mutter, von der Beziehung zum Vater. Zu sehen ist Sarah dann auf dem Balkon, danach Schnitt auf Julie, die Tagebuch schreibt. Nach einer Einleitung kommt die freundliche Titelmusik, unterstreicht das aufkommende Vertrauensverhältnis zwischen der jungen und der älteren Frau. Die Musik bricht hart ab, als die Kamera auf Julie auf dem Bett blickt: Zeichen für den Vertrauensbruch, der darin besteht, dass die ältere Sarah das Tagebuch der jungen Julie ungeniert für ihr Schreiben ausbeutet.

1:00’37“ – 1:01’40“ Julie entdeckt Sarahs Vertrauensbruch, ist entsetzt, die Musik unterstreicht dieses Entsetzen, geht aber beim Schnitt auf Sarah und Franck weiter. Beide werden damit in das Geschehen involviert, denn Sarah hat ja auch mit Franck geflirtet und dadurch wurde auch auf diesem Feld die ältere Sarah zur Konkurrentin der jungen Julie.

Musikinterpretation ist sehr subjektiv. Die Modi schnell/langsam, laut/leise, orchestral/solistisch sind nicht ohne weiteres dem Geschehen nach dem Schema dramatisch/ruhig zuzuordnen. Selbst Dur und Moll sind nicht immer eindeutig mit dem Gegensatzpaar fröhlich/traurig gleichzusetzen. Erst das Zusammenwirken von Bild und Ton erzeugt die jeweilige Wirkung. Der Zuschauer hört eine Musik als dramatisch, weil das Bild dramatisch ist. Die Musik verstärkt diese Dramatik. Die gleiche Musik ohne Bild würde vielleicht gar nicht als dramatisch wahrgenommen. In „Swimming Pool“ ist die Musik meist zurückhaltend instrumentiert, manchmal nur ein Saiteninstrument manchmal zwei oder mehr. Orchestral wird die Musik nicht nur bei dramatischen Szenen, sondern auch in entspannten Szenen, als Titelmusik am Anfang und beim Abspann.

7. Dialoge und Geräusche (Bernd Katzenstein)

Dialoge und besonders Geräusche übernehmen nach Faulstich „Funktionen in übergeordneten Kontexten“23). In der menschlichen Wahrnehmung gibt es eine klare Hierarchie: Bilder werden besser erinnert als Töne und sind deswegen für den Zuschauer wichtiger – nach dem alten Motto ‚Ein Bild sagt mehr als tausend Worte’. Insofern haben die akustischen Filmelemente wie Dialoge, Geräusche, aber auch Musik eine Hilfsfunktion, um die optischen Elemente zu unterstützen.

7.1. Dialoge

Dialoge dienen in erster Linie dazu, Informationen an den Zuschauer weiterzugeben, die nicht durch die gefilmte Handlung transportiert werden können. Dialoge treiben häufig in direkter Konfrontation der Protagonisten die Handlung voran, wo es das Bild nicht vermag. Ob dabei Wahrheiten oder Lügen verkündet werden, ergibt sich aus dem Handlungsstrang des Films. Neben handlungsrelevanten gibt es aber bei Ozon auch Dialoge, die den Zuschauer täuschen oder ratlos machen sollen, mit denen der Regisseur Verwirrung stiften will und den Zuschauenden ein Rätsel lösen lässt.

Ein Beispiel: Julie telefoniert mit dem Vater in London, der sie ermahnt, Sarah nicht zu stören. Und Julie sagt zum Schluss. „Rufst du Mama an. Sie wartet immer noch“ Später erfahren wir, dass die Mutter durch einen (Auto-) Unfall getötet wurde. Denn wir erfahren das einmal, als Sarah nach der vermeintlichen Mordnacht nach Franck sucht, als Auskunft der Tochter Marcels: „Es war ein Unfall“. Und dann, als Julie auf Sarahs Frage bei der Verabschiedung, woher Julies Narbe stamme, antwortet: “Es war ein Autounfall“.

Ein anderes Beispiel: Am Ende der gemeinsamen Tanzszene von Julie und Franck, in der Franck deutlich mehr Interesse an Sarah, der älteren Frau, zeigt, verabschiedet Julie Sarah mit den Worten: „Sweet dreams“.

In den dann folgenden zwei Szenen werden Franck und Julie im Swimmingpool durch den Steinwurf Sarahs gestört. Als Julie versucht, Franck zu verführen, verabschiedet sich dieser überhastet, und die Enttäuschung Julies wird deutlich. In der nächsten Szene wird Sarah, die sich in ihr Bett zurückgezogen hat, plötzlich aus dem Schlaf aufschreckt (1:09.30). Es zeigt sich deutlich, dass Sarah eben keine angenehmen „sweet dreams“ hatte, sondern Julies Mord an Franck träumte.

Über die Dialoge spielt Ozon spielt also voller Absicht und sehr souverän mit der Realität, der Fiktion und der Phantasie, sodass der Zuschauer bis zum Schluss im Unsicheren gelassen wird, was eigentlich ‚real‘ geschieht und was sich ’nur’ im Kopf der Protagonisten abspielt. Hat es einen realen Mord gegeben, oder hat Sarah ihn nur imaginiert, im Traum oder in ihrer Phantasie, mit der sie einen ’anderen’ Roman schreibt?

Das Gegenstück zum Dialog, den Monolog als innere Stimme der Protagonisten im Off, setzt Ozon ebenfalls ein. Als zum Beispiel Sarah nach Julies Abreise gegen Ende ihres Aufenthalts im Ferienhaus Julies Begleitbrief zum Manuskript der Mutter liest. Der Off-Ton ist hier Julies Stimme. Dagegen fehlt die andere Form des Monologs, das Selbstgespräch.

Dialoge werden meist direkt beim Drehen als Originalton aufgenommen. Das hat Zeit- und Kostengründe, da in der Postproduktion meist die Schauspieler wegen anderer Verpflichtungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die deutsche Fassung hat dies Problem nicht, weil sie vollkommen im Studio durch Synchronschauspieler nachbearbeitet wurde. Die englische Originalfassung arbeitet in englisch und französisch, Ch. Rampling spricht Französisch, mit starkem Akzent, L. Savignier spricht auch Englisch, fast ohne Akzent.

7.2. Geräusche

Geräusche sind in der Regel „handlungsfunktional“: […] Sie gehören gewissermaßen zur Realität der bildhaft vorgestellten Wirklichkeit und vervollständigen insofern oft nur die visuell übermittelten Informationen.“24) Geräusche – so Faulstich weiter – werden aber auch „zur gezielten Wahrnehmungssteuerung des Publikums eingesetzt“.25) So setzt Ozon diesen Baustein ein, um den Bildern meist eine handfeste Unterfütterung als Orientierungspunkt für den Zuschauer zu geben.

Die Geräusche in `Swimming Pool` sind sehr realistisch, meist eher laut: Motorengeräusche, Türknarzen oder -knallen, das laute Aufstellen des Liegestuhls durch die wütende Sarah in Julies erster Schwimmszene sind hier als Beispiele zu nennen. Aber auch ganz leise Töne werden verstärkt hörbar, z.B. als Sarah nach ihrem ersten Alkoholexzess am nächsten Morgen ein Glas Alka - Seltzer trinkt, wobei das Schäumen der Tablette im Glas deutlich zu hören ist. Atmosphärische Geräusche – in der Fachsprache Atmos genannt - wie Vogelgezwitscher, das Rauschen der Bäume bei verschiedenen Windstärken spielen besonders in den ‚stillen’ Anfangsminuten im Ferienhaus eine große Rolle. Selten nur, dass die Geräusche nicht synchron zu den Bilder verlaufen, aber es gibt sie, zum Beispiel fängt das Geräusch des fahrenden Zuges schon an, als Sarah noch im Appartement auf der Fensterbank sitzend in den regnerischen Tag träumt: Sie imaginiert also bereits die Reise nach Südfrankreich, soll diese Verschiebung sagen.

Geräusche werden am Drehort original aufgenommen, aber sehr häufig in der Nachbearbeitung optimiert, weil zum Beispiel störende Hintergrundgeräusche nicht zu vermeiden waren. Man unterscheidet dabei zwischen Dialogton und atmosphärischen Umgebungsgeräuschen, den Atmos.

Das Gegenstück zum Geräusch, die Stille, setzt Ozon auch in einigen Szenen ein, in denen Sarah Ohrstöpsel benutzt.

Im Verlauf des Films ändert sich der Einsatz von Geräuschen und Dialogen deutlich. In den ersten 20 Minuten gibt es auf der Tonspur fast nur begleitende Geräusche zu den Bildern. Es sind also zumeist stille Szenen, welche die Einsamkeit und englische Nüchternheit der Krimischriftstellerin Sarah zeigen, die ganz praktischen Handlungen des Ankommens, Kofferauspackens, die ersten Inspektionen des Hauses, der erste Blick zum Pool mit den rauschenden Bäumen.

Ausnahmen hiervon sind nur der erste Dialog in der U-Bahn, der mit dem Verleger anfangs in seinem Büro und mit Marcel, der sie am Bahnhof abholt - alles zusammen macht kaum zwei Minuten aus.

Als Julie in der Nacht mit dem Auto ankommt, werden Dialoge wichtiger. Meist sind sie sehr direkt mit der Handlung verknüpft, illustrieren beispielsweise die Abwehr Sarahs, die nicht gestört werden möchte oder auch Julies Aggression, die zum Beispiel im Abgang Sarah eine „alte frustrierte Zicke“ nennt.

Bei 26.30 nimmt der Dialog erstmals einen anderen Charakter an, weil sie sich nicht mehr direkt auf die Handlung beziehen sondern zusätzliche Informationen vermitteln: Die Frauen sprechen über ihre Haltung zum Baden im Pool oder Meer. Sarah behauptet mürrisch, wegen der Verschmutzung nicht gern im Pool zu baden und auch Julie zieht das Meer vor, sie schätzt „das Gefühl im Ozean mitgerissen zu werden“. Ab 52.00 werden die Dialoge relevanter für den Fortgang des Films und die Motive der Protagonistinnen. Wenn beide Frauen im Restaurant miteinander sprechen, dauert das Gespräch fast sechs Minuten. Julie erzählt von der Mutter und dem Verhältnis mit John, erzählt von ihrer ersten Liebe zu dem jungen Christian. Sarah ermuntert sie durch Fragen weiter, weil sie, da sie zu dem Zeitpunkt schon Julies Tagebuch gelesen hat, weiteres Material für das neue Buch sucht. Und erfährt so vom Manuskript der Mutter, welches Julie als “kitschige Romanze- eine Liebesgeschichte mit Happy End“ charakterisiert. Der englische Verleger John, Vater von Julie, hatte es nicht veröffentlichen wollen. Und Julie hinterlässt es bei ihrer Abreise auf Sarahs Bett, die Teile in das neue Manuskript einarbeitet.

Und die verschiedenen Ebenen des Films – reales Geschehen oder Phantasie der Hauptdarstellerinnen – kommen besonders in dieser Sequenz zum Ausdruck: Nachdem sich Sarah am Morgen vergeblich auf die Suche nach dem verschwundenen Franck gemacht hat, kommt sie zum Haus zurück und sucht Julie am Swimmingpool auf.

Sarah: “Sagen Sie mir die Wahrheit über Franck“.

Julie: „Ich glaube, ich habe ihn umgebracht…ich weiß es nicht—für das Buch“

10. Schlussbemerkung

Eine wichtige Aussage im ersten Dialog des Films bietet sich als Motto für den ganzen Film an: Die Leserin in der U-Bahn spricht Sarah an und diese antwortet: “Ich bin nicht die, für die Sie mich halten.“ Auch der Zuschauer kann nicht sicher sein, was er von der Handlung des Films halten soll. Hat er einen realen Mord gesehen, oder findet er nur in der Phantasie der Autorin statt? Anfangs werden zwei Vertreterinnen von zwei unterschiedlichen Frauengenerationen gezeichnet: Die ältliche, unattraktive Frau und die chaotische, sinnliche Junge, die sich aber beide ändern und einander annähern Die anfangs scharf gezeichneten Differenzen zwischen den beiden Generationen verschwimmen im Verlauf des Films. Im Positionstausch der beiden Figuren – beide sind in unterschiedlichen Szenen stark oder schwach – werden die beiden Frauen gleich-wertig und erscheinen eher als Individuen, denn als Klischeebilder unserer gesellschaftlich vorgefertigten Klischees von jungen und alten Frauen. Nichts ist sicher – auch keine stereotypen Generationen- und Geschlechterbilder. Vive la phantasie.

1)
Werner Faulstich: Grundkurs Filmanalyse, 2. Auflage Paderborn 2008, S. 97
2)
Vgl. ebd. S. 98
3)
Ebd. S. 99
4) , 5)
Ebd. S. 100
6)
Ebd. S.100
7) , 8) , 12)
Ebd. S. 101
9)
Ebd. S. 100f
10) , 11)
Ebd. S. 97
13)
Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse, 5. Auflage Stuttgart. Weimar 2012, S 54
14)
a.a.O. S. 54
15)
a.a.O. S. 55
16)
a.a.O. S. 56
17)
Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse, 5. Auflage Stuttgart. Weimar 2012, S.82
18)
Ebd. S.72
19)
Ebd. S.73
20)
Vgl. Werner Faulstich: Grundkurs Filmanalyse, 2. Auflage Paderborn 2008, S. 140ff
21)
Ebd. S. 140
22)
Ebd. S. 141
23)
Werner Faulstich: Grundkurs Filmanalyse, 2. Auflage Paderborn 2008, S. 135
24) , 25)
a.a.O., S. 141
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