Jungsein im iranischen Kurdistan
Analyse der Sequenz (0:25:40 – 0:28:20) des Films „Zeit der trunkenen Pferde“ von Bahman Ghobadi (Iran 2000)
Brigitte Anthes-Kettler
1. Einleitung
Der winterliche Schauplatz des Films ist Sardab, das Heimatdorf des iranischen Regisseurs Bahman Ghobadi in der gebirgigen kurdischen Grenzregion zum Irak. Es besteht aus einer Gruppe von niedrigen, am Hang eng aneinander gebauten Steinhäusern. Ein Teil der ländlichen Bevölkerung lebt bis heute vom Schmuggel über die gefährliche, von Minen verseuchte Grenze hinweg. Im Zentrum der Handlung steht das Schicksal einer Familie von Waisenkindern, gespielt von Laien, die ihren eigenen Alltag darstellen. Ihr Vater wurde gerade von einer Mine getötet, die Mutter starb bereits bei der Geburt des jüngsten Kindes. Ohne fertiges Drehbuch entwickelte der Regisseur den gesamten Film im Austausch mit diesen Kindern.1)
Im Folgenden wird eine Szene zu Beginn des 5. Kapitels (0:25:40 – 0:28:20) analysiert, in der die familiäre Situation und das häusliche Zusammenleben der fünf Geschwister dargestellt wird. Der besondere Schwerpunkt liegt hier auf der Beschreibung und Interpretation ihrer Kommunikation im szenischen Raum.2)
2. Beschreibung
Vorstellung der Geschwister (Alter teils geschätzt)
Die Kinder tragen die traditionelle kurdische Kleidung, weite lange Hosen und bunte Pullover im Folkloremuster, die Mädchen Kopftücher und Rojin auch Trauerkleidung
Rojin (17 J.), die älteste Schwester, führt seit dem Tod der Mutter den Haushalt und kümmert sich um die jüngste Schwester Kolsolum (2 J.).
Madi (15 J.), ein kleinwüchsiger, schwerbehinderter Junge, wird von den Geschwistern liebevoll betreut. Er wird vom Hausarzt behandelt, der mehrere Dörfer versorgt und ihn gut kennt.
Ayoub (12-13 J.) hat die Schule beendet, um den Rest der Familie zu ernähren. Möglich erscheinen für ihn Gelegenheitsarbeiten und Schmuggel. Im 4. Kapitel wird gezeigt, wie er in der verschneiten Landschaft einen verdorrten Baum fällt, mit der Axt zerhackt und das Holz nach Hause trägt.
Amaneh (8-9J.) geht zur Dorfschule und ist eine eifrige Schülerin. Im Film spricht sie an verschiedenen Stellen aus dem Off und erläutert dem Publikum ihre Sicht auf die Familie. Sie kümmert sich besonders um Madi. Im 4. Kapitel sehen wir die beiden zusammen auf dem Friedhof, weinend am Grab ihrer Mutter. Ayoub ruft sie von dort aufgebracht zum Termin mit Madis Arzt, der gerade das Dorf besucht. Er ist wütend, weil Madi den Termin verpassen könnte und gibt seiner Schwester eine Ohrfeige. Nach der Behandlung trägt Amaneh Madi nach Hause, während der Arzt Ayoub eröffnet, dass er Madi nicht weiter helfen kann. Er bräuchte dringend eine Operation im Krankenhaus, die sehr teuer ist.
Der Wohnraum der Familie (Einstellungsraum)3)
Wir sehen nie den gesamten Raum, sondern nur die Teile, die als Hintergrund für die handelnden Personen dienen. Die Wände sind grob verputzt, in der unteren Hälfte weiß, in der oberen hellgrün gestrichen. Der Putz blättert an einigen Stellen ab. Die Eingangstür und die großen, bis fast zum Boden reichenden Fenster sind aus dunkelgrün lackiertem Holz. Der Boden ist durchgehend mit gemusterten Teppichen ausgelegt. In einer großen Wandnische ist das in bunte Textilien eingerollte Bettzeug verstaut. Auf den Fensterbänken stehen Behälter aus Ton, ein altes Transistorradio und ein leerer Metallkanister als Übertopf für eine üppig blühende Pflanze. Ein großer alter Kanonenofen mit Abzug nach oben ballert (von Ayoub angezündet) in der Nähe der Eingangstür, darüber hängt eine altmodische Glaslampe von der Decke. Die vorherrschenden, eher verblichenen naturnahen Farben schaffen eine behagliche Atmosphäre. Dazu trägt auch die klare, aber weiche filmische Beleuchtung bei. Sie bescheint die Szene frontal, von leicht oberhalb der Kamera, mal etwas nach links oder rechts verschoben, sodass sich kurze Schatten seitlich hinter den Personen und Gegenständen bilden und ihnen Plastizität verleihen.
Die Kommunikation der Personen im Raum (montierter Raum und Ton Raum)4)
Eine Besonderheit der Kameraführung in dieser Szene ist, dass sie durchgehend auf ca. 1 Meter Höhe erfolgt und damit die Perspektive der Kinder einnimmt. Sie ist statisch, schwenkt oder zoomt niemals, sondern folgt in einzelnen Bildern ihren Blicken und Bewegungen. Sie filmt überwiegend in Halbnah-, Nah- und Großaufnahmen von verschiedenen Standorten in der nicht gezeigten Hälfte des Raumes aus.
Zu Beginn der Sequenz richtet sich die Kamera, mit der Lampe und dem Kanonenofen im Vordergrund, auf die noch geschlossene Eingangstür. Als akustische Überleitung aus Kapitel 4 hören wir aus dem Off die letzten Worte des Arztes zu Ayoub: „Selbst, wenn er operiert ist, hat er nur noch 7 – 8 Monate zu leben. Seine Krankheit ist nicht heilbar.“ Die Tür öffnet sich, wir hören draußen Hunde bellen, und die Kamera richtet sich auf Amaneh, die links neben der Eingangstür bei einem der Fenster auf dem Boden sitzt, mit Stift in der Hand und Buch und Schreibheft vor sich. Sie hebt den Kopf und blickt Richtung Tür.
Ayoub betritt den Raum mit einem Bündel Brennholz unter dem Arm und hockt sich vor den Ofen. Er reibt sich die kalten Hände, öffnet die eiserne Ofenklappe und lädt die Scheite ein. Dabei blickt er lächelnd erst nach links zu Amaneh und dann geradeaus am Ofen vorbei. Dort zeigt die Kamera jetzt, auf der anderen Seite des Raumes auf dem Boden sitzend, seine anderen Geschwister bei der Mittagsmahlzeit. Sie schauen zu ihm herüber.
Die große Schwester Rojin füttert die kleine Kolsolum, die links auf ihrem Schoß sitzt. Vor ihnen auf dem Boden ist ein helles Tuch ausgebreitet, auf dem die Becher, Teller und Schüsseln mit der (gesund aussehenden) Mahlzeit zu sehen sind. Fladenbrot, Tomaten, Yoghurt und Käse sind zu erkennen. Rechts über Eck sitz auch Madi mit dabei und isst mit ihnen. Den Hintergrund dieser kleinen Gruppe bildet links eine Fensterbank mit Blumenschmuck und Radio, auf der anderen Seite die Nische mit dem über den Tag verstauten Bettzeug. Durch die Zugewandtheit der Personen entsteht auf Anhieb ein harmonisches Bild. Unterstützt wird die Wirkung durch die Wahl der Komplementärfarben Magenta und Grün in der Kleidung der Schwestern und durch das Türkis des Geschirrs und das Rot der Tomaten. Die Zimmerpflanze im Hintergrund und die weichen, gemusterten Textilien auf Boden und Wand schaffen eine behagliche Atmosphäre.
Die Kamera zeigt jetzt wieder Ayoub, der den Ofen belädt, wechselt dann aber die Perspektive. Von der anderen Seite des Ofens her, zwischen Ayoubs Kopf und der Ofenklappe hindurch, blicken wir auf Amaneh, die sich über ihre Arbeit beugt. Sie duckt sich weg und meidet den Kontakt zu ihrem Bruder. Der zündet das Holz an und der Ofen bullert laut. Er geht hinüber zu Amaneh und kniet sich nah an ihre Seite, sodass er auf ihr Heft sehen kann. Sie aber schreibt weiter und blickt nicht auf. Er beugt sich zu ihr herab und fragt:
- Amaneh, bist du böse auf mich?
- Ja.
- Warum?
- Du hast mich geschlagen.
- Du bist auf den Friedhof gegangen.
- Madi war langweilig.
- Warum hörst du auf Ihn?
Es erfolgt ein Schnitt in Nahaufnahme auf Rojin, die zu den beiden herüberschaut und aufmerksam zuhört.
Amaneh: Ihm war langweilig.
Ayoub: Sind wir wieder gut?
Schnitt zurück auf Ayoub und Amaneh, die weiter nicht zu Ihm aufschaut.
Ahmaneh: Nein
Ayoub: Warum?
Amaneh: Weil du mich geschlagen hast.
Ayozub: Ich werds nicht mehr tun, versprochen.
Amaneh: Gut.
Ayoub: Hand drauf.
\\Er reicht ihr seine Hand, sie schlägt kräftig ein und Ayoub lächelt. Er hält ihre Hand fest und sie küssen sich auf beide Wangen.
Die Kamera zeigt jetzt in Großaufnahme Madis Gesicht, der sich zu den beiden umdreht und sich sichtlich über die Versöhnung freut.
Jetzt konzentriert sich die Kamera wieder auf Ayoub und Amaneh, und es geht um ihre Hausaufgaben. Sie sagt: „Mein Übungsheft ist voll“ und blättert in ihrem Schreibheft. Ayub fragt: „Möchtest du das gleiche?“ „Ja. Ich habe zweimal die besten Noten bekommen.“ Amaneh zeigt ihm die Seiten. „Ich kauf dir morgen eins. Hast du die Rechenaufgaben gemacht?“
Ayoub steht auf. Die Kamera bleibt auf 1 m Höhe, und wir sehen nur seine Beine in den weiten bräunlichen Hosen. Er geht an Amaneh vorbei rechts aus dem Bild und erscheint im nächsten Bild von links hinter seinen anderen Geschwistern. Dort hängt er seine lange Weste an die Wand – wir sehen aber weiter nur die Beine und er wirkt dadurch sehr groß. Er fragt: „Geht es dir gut?“ und Rojin antwortet. “Ja, danke.“ Dann beugt er sich herunter, sodass wir ihn im Ganzen sehen. Er trägt einen braunen Overall wie die erwachsenen Männer. Er küsst seine kleine Schwester und Madi (nicht Rojin) zur Begrüßung auf die Wange und fragt auch Madi, wie es ihm geht. Zur Mahlzeit setzt er sich Rojin gegenüber und schenkt sich ein Getränk ein. Wir sehen ihn von hinten, angeschnitten am rechten Bildrand, sodass wir weiter die ganze Gruppe im Blick haben. In einem Heransprung (motiviert durch die folgende wichtige Frage), zeigt die Kamera in Großaufnahme Rojins ernstes Gesicht, umrahmt von ihrem schwarzen Kopftuch. Sie schaut zu Ayoub herüber und fragt in leicht forderndem Tonfall: „Warst du bei Herrn Yassin?“ (Er organisiert im Dorf den Schmuggel in den Irak.) Die Antwort von Ayoub im Gegenschuss auf dessen Gesicht: „Ich hab ihn nicht gefunden.“ Er sieht nervös und gar nicht glücklich aus und schaut gleich wieder nach unten. Er wirkt viel jünger und kindlicher als bisher, obwohl er sich bemüht, mit tiefer Stimme zu sprechen.
Das letzte Bild aus dem Wohnraum zeigt noch einmal die kleine Gruppe bei der Mahlzeit. Im off-screen Sound dringen jetzt wieder Hundegebell und andere Geräusche der Außenwelt in die Szene ein. Es folgt ein harter Schnitt nach draußen ins Dorf. Kinder tragen schwere Lasten auf dem Rücken zu einer Gruppe von Schmugglern, die Maultiere beladen – ein Hinweis auf die Arbeit, die Ayoub bevorsteht. Er muss und will das Geld für die Operation seines Bruders verdienen.
3. Analyse und Interpretation
Die ausgewählte Sequenz ist die einzige, in der die fünf Kinder der Familie Ahmadi gemeinsam zu sehen sind. Sie ist eingebettet in das vorausgegangene Gespräch Ayoubs mit dem Arzt, der auf eine Operation für den behinderten Madi drängt, und dessen letzte Worte den klanglichen und inhaltlichen Übergang zur Szene im Wohnraum bilden. Dies zeigt die Bürde, die Ayoub und seine Geschwister tragen. Obwohl sie hören, dass Madi nicht mehr lange zu leben hat, hoffen sie weiter und wollen ihm unbedingt helfen. Das Ende der Szene mit dem abrupten Übergang zur Darstellung der Kinderarbeit im Dorf zeigt, was sie in Zukunft erwartet.
Im Wohnraum ihres Hauses als geschlossenem szenischem Raum wird uns gezeigt, wie sie leben und miteinander umgehen und wie sie versuchen, ihr Schicksal auch ohne Eltern in die Hand zu nehmen. Der Raum selbst lässt uns Rückschlüsse auf ihre Lebensumstände ziehen. Wie wir an der Ausstattung erkennen, dient er, der Tradition entsprechend, mehreren Zwecken: Wohnen, Essen und Schlafen. Wände, Türen und Fenster sind stabil, aber renovierungsbedürftig. Die einfache, aber effektive Heizung geschieht durch einen mit Holz betriebenen Kanonenofen. Die Ausstattung zeigt keine Möbel, traditionell finden alle Aktivitäten liegend oder sitzend auf dem Boden statt. Es gibt zwar Elektrizität, aber nur ein Transistorradio als simples Medium. Dennoch wirkt der Raum wohnlich durch die Wahl der Farben und die Verwendung von Teppichen und Textilien in harmonischen Farben und Mustern. Dazu trägt auch die üppige, blühende Topfpflanze bei. Es ist alles geordnet und sauber und ermöglicht ein einfaches Leben nach den örtlichen Sitten. Insgesamt entsteht der Eindruck eines geschützten familiären Lebensraums.
Innerhalb dieses Raumes gibt es drei Handlungsorte, die in die Struktur der Erzählung eingebunden sind:
- der Bereich um den Kanonenofen
- der Platz am Fenster, an dem Amaneh ihre Schulaufgaben macht
- der Bereich an der Wand gegenüber dem Ofen, wo Rojin, Kolsolum, Madi und später auch Ayoub ihre Mahlzeit einnehmen
Diese Orte werden nie gemeinsam, sondern immer im Wechsel gezeigt. Ayoub ist der Einzige, der sich zwischen den Orten bewegt, die anderen Personen bleiben stationär.
Die bereits beschriebene Kameraführung auf der Höhe der Kinder bewirkt eine intime und respektvolle Darstellung. Die aufeinanderfolgenden Bilder ohne Schwenks und Zooms erzeugen Ruhe und Konzentration auf Dialog und Mimik der Personen an den verschiedenen Handlungsorten.
Ayoub ist der Einzige, der von außen dazukommt, in aufrechter Haltung gezeigt wird und sich durch den Raum zu den anderen Personen begibt. Seine Blicke und Bewegungen geben auch Hinweise auf die Position der anderen im Raum. Kleidung und Haltung lassen ihn männlicher wirken als er ist, was durch die Kameraführung unterstützt wird.
An den drei Handlungsorten erledigt er verschiedene Aufgaben:
- Am Ofen sorgt er für Wärme mit dem von ihm selbst geschlagenen Holz.
- Neben seiner Schwester Amaneh kniend klärt er den Konflikt, versöhnt sich mit ihr und akzeptiert sie mit Handschlag und Kuss auf gleicher Ebene. Er kümmert sich auch um ihre Hausaufgaben, wobei die pointierte Frage nach den Mathematikaufgaben wieder sehr männlich scheint.
- Am dritten Ort, bei seiner großen Schwester und den von ihr versorgten Madi und Kolsolum, begrüßt er alle freundlich und nimmt mit ihnen die Mahlzeit ein. Hier wird er aber mit Rojins Erwartungen konfrontiert, die fordert, dass er sich um eine Arbeitsstelle bemüht. Da zeigt sich dann doch in seinem Gesicht noch seine Kindlichkeit und seine Angst davor, diesen Anforderungen zu genügen.
Ayoub gibt sich alle Mühe, den verstorbenen Vater für seine Geschwister zu ersetzen. Zu Beginn bemerkt man auch einen gewissen Stolz auf seine neue Rolle. Er versucht, für sie zu sorgen, ist auf Ausgleich bedacht und versucht, mit allen liebevoll und freundlich umzugehen. Doch es wird auch spürbar, dass er nicht ohne Angst ist und in seinem Inneren weiß, dass es hart wird.
Amaneh sitzt nicht bei ihren Geschwistern, sondern etwas abseits über ihren Hausaufgaben. Sie ist die Einzige, die zur Schule geht, arbeitet fleißig und ist stolz auf ihren Erfolg. Sie übernimmt schon Verantwortung für ihren behinderten Bruder und ist deshalb traurig über Ayoubs Ohrfeige. Im Gespräch mit ihm wehrt sie sich und besteht selbstbewusst auf seiner Besserung. Das energische Handklatschen zwischen ihnen ist dann ein Zeichen für Kameradschaft und Gleichberechtigung.
Mit Rojin, der kleinen Schwester auf dem Arm und Madi an ihrer Seite, erscheint vor uns ein ikonisches Familienbild, fast ein Heiligenbild.
Den Kopf mit dem schwarzen Kopftuch zu Kolsolum geneigt, füttert sie die Kleine und beobachtet dabei genau, wie Ayoub und Amaneh miteinander umgehen. Sie ist die Älteste, die die Rolle der verstorbenen Mutter schon vor einiger Zeit übernommen hat und die Familie im Kern zusammenhält. Als gestrenge, reifere, für Leib und Seele sorgende Person stellt sie auch Erwartungen an ihre Geschwister.
4. Fazit
Diese Sequenz, gefilmt im Haus der Familie Ahmadi, bildet in mehrfacher Hinsicht ein Herzstück des Films. Im gezeigten Wohnraum findet ein großer Teil des Lebens statt. In seiner traditionellen, mit geringem Aufwand aber Geschmack gestalteten Ausstattung ist er Schutzraum und Lebensmittelpunkt. Die Wärme des bullernden Kanonenofens strahlt geradezu aus der Leinwand heraus und spendet Energie wie der Schlag des Herzens. In genau durchdachter Anordnung und Gestaltung der Handlungsorte und in der Choreographie der Bewegung der Personen spiegeln sich ihr Status und ihr Umgang miteinander.
Die aktive Rolle, als Ersatz für den Vater, hat Ayoub übernommen. Das wird gezeigt durch seine Bewegung im Raum zwischen den Personen, mit denen er spricht. Er zeigt körperliche Stärke, Stolz, aber auch Zuwendung und Unsicherheit angesichts der bevorstehenden Aufgabe. Amaneh, die mittlere, etwas abseits positionierte Schwester, behauptet sich als Lernende und als Sorgende für Madi und fordert von ihrem Bruder Respekt. Während Ayoub herumgeht und für die äußere Wärme sorgt, ist Rojin, die große Schwester, der Ruhepol, die moralische Instanz und die herzerwärmende Betreuerin der Schwachen der Familie. Das wird besonders deutlich durch die ikonische Gestaltung ihrer Gruppe und ihres Ortes im Raum. Zu diesem Zeitpunkt des Geschehens im Film sieht es so aus, als könnten die Kinder ihr Leben ohne die Eltern meistern. Über dieser geschlossenen Szene in vertrauter Atmosphäre liegt aber, deutlich zu Beginn und am Ende, die Sorge um das Leben ihres Bruders.