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Gesetze zur Bewahrung nationaler Kulturschätze in Japan

Kurz nach der Meiji-Restauration (Meiji ishin 明治維新) im Jahr 1868 begann die Regierung, die Kulturgüter Japans im ganzen Land zu katalogisieren. Die Motivation war zunächst nicht das Kulturerbe zu bewahren, sondern geeignete Objekte für die Wiener Weltausstellung 1873 zu identifizieren.

Bereits im Jahr 1871 erließ der Staatsrat ein Dekret, Koki kyûbutsu hozonkata 古器旧物保存方, welches alte Artefakte und Kunstobjekte vor der Vernichtung schützen sollte. Denn die finanziellen Schwierigkeiten mit denen sich buddhistische Tempel und die Samurai-Elite konfrontiert sahen, veranlassten diese, ihre Sammlungen zu veräußern oder gar wegzuschmeißen. Das Dekret schließt eine Liste mit 31 Kategorien ein, nach denen die Artefakte zu unterteilen sind; Utensilien für den Tee-Weg, den Duft-Weg und Ikebana werden als eigene Kategorie aufgeführt.

Jinshin Inspektion

Anhand dieser Kategorien wurde im Jahr 1872 eine Delegation von der Regierung entsandt, die eine Inspektion und Sichtung von Artefakten in der Kansai-Region vornehmen sollte, die sogenannte Jinshin Inspektion (Jinshin chôsa 壬申検査). Dabei stand das Shôsô-in 正倉院, die Schatzkammer des Tôdai-ji 東大寺 in Nara im Fokus. Dort werden Objekte aus der Nara-Zeit (710-794), vor allem von Shômu tennô 聖武天皇 (701-756), aufbewahrt.

Die Inspektion hatte laut Oshikiri zwei Ziele:

  1. Material zu sammeln, mit dem sich der Führungsanspruch der kaiserlichen Familie legitimieren ließ
  2. Artefakte und Sammlerstücke zu identifizieren, die in das zu gründende Nationalmuseum überführt werden konnten

(Oshikiri 2018, S. 27)

Dabei war es nicht von Relevanz, ob die Objekt in Japan hergestellt wurden - auch Objekte aus China wurden katalogisiert, sondern welche Bedeutung sie für die Kulturgeschichte Japans hatten bzw. wer ihre Vorbesitzer waren. So ist zu erklären, dass unter den offiziellen wichtigen Kulturgüter Japans sich viele ursprünglich chinesische Artefakte befinden.

Gesetz zum Schutz alter Schreine und Tempel

Nach dem Sino-japanischen Krieg (Nisshin sensô 日清戦争) der Jahre 1894/95 stieg das Interesse der Regierung aus nationalistischen Gründen an alten Kunstgegenständen und Kulturgütern an, besonders an solchen, die in Tempeln und Schreinen aufbewahrt wurden. Dies führte im Jahr 1897 zum Inkrafttreten des Gesetz zum Schutz alter Schreine und Tempel (Koshaji hozon hô 古社寺保存法).

Ein Komitee aus verschiedenen Sachverständigen evaluierte die Artefakte nach historischem Wert, traditionellen Handwerkstechniken oder besonderen Traditionslinien, um daran die Förderungswürdigkeit bzw. die Erhaltungswürdigkeit einschätzen zu können.

Tempeln und Schreinen wurde der Handel mit den Artefakten verboten und auch das Ausstellen war nur mit staatlicher Genehmigung möglich. Den kaiserlichen Museen war währenddessen der Zugang jederzeit zu ermöglichen.

Der Staat sicherte sich mit dem Gesetz nicht nur den Zugriff auf die Objekte, sondern nahm sich das Recht, Objekte nach ihrem kulturellen Wert zu beurteilen.

Gesetz zum Schutz von Nationalschätzen

Das Gesetz von 1897 wurde im Jahr 1929 im Gesetz zum Schutz von Nationalschätzen (Kokuhô hozon hô 国宝保存法) erweitert und schloss nicht nur Tempel und Schreine in seine Regulierungen ein, sondern erstreckte sich fortan auch auf Privatpersonen, die die ab jetzt als kokuhô 国宝 (Nationalschätze) bezeichneten Objekte in ihrem Besitz hatten. Mit der Kategorie kokuhô, welche als förderungswürdig erachtet wurde, baute die Regierung ihren Einfluss auf die Interpretation des kulturellen Erbes und die Definition von Kunst aus.

Aus Sicht der privaten Sammler, die nun von der staatlichen Kontrolle betroffen waren, reflektierte das Gesetz zwar den Wunsch japanische Kunst- und Kulturobjekte im eigenen Land zu halten, zum anderen jedoch wurde ein Eingriff in das Privateigentum befürchtet.

„In his [Masuda Takashi] eyes, such legislation was unnecessary since private collectors like himself had both the means and the self-interest to maintain the works in their possession. He also believed it represented an infringement of property rights that would result in widespread artistic devaluation.“ (Guth 1993, S. 190f.)

Während Tempel und Schreine ihre Kunstobjekte nicht veräußern durften, erlaubte das Gesetz von 1927 Privatpersonen jedoch auch kokuhô zu verkaufen oder zu beleihen.

Das Gesetz wurde im Jahr 1933 erweitert.

Gesetz zum Schutz von Kulturgütern

Der japanische Staat in der Nachkriegszeit hatte selbstverständlich ebenfalls Interesse an der Bewahrung des kulturellen Erbes, sodass im Jahr 1950 das Gesetz zum Schutz von Kulturgütern (Bunkazai hogo hô 文化財保護法) in Kraft gesetzt wurde.

Neben den bestehenden Kategorien, wurde zwei weitere eingeführt: immaterielle Kulturgüter (mukei bunkazai 無形文化財) und „unter der Erde liegende Kulturgüter“ (maizô bunkazai 埋蔵文化財).

Ziel des Gesetzes war zum einen die Bewahrung der japanischen Kulturgüter und die Konsolidierung des bestehenden Systems; zum anderen sollte die japanische Kultur mit diesen Objekten einen Platz unter den Weltkulturen einnehmen und nicht mehr als singuläre, losgelöste Entwicklung gelten.

Link zum Originalgesetzestext bei der Nationalbibliothek

Quellen

  • ASO, Noriko: Public Properties: Museums in Imperial Japan. Durham: Duke University Press 2014.
  • FAILLA, Donatella: „The Protection of Cultural Properties in Japan (1)“. In: Zeitschrift für japanisches Recht, Bd. 9, Nr. 18 (2004), S. 67-107.
  • GUTH, Christine M.E.: Art, Tea, and Industry. Masuda Takashi and the Mitsui Circle. Princeton: Princeton University Press 1993.
  • OSHIKIRI, Taka: Gathering for Tea in Modern Japan: Class, Culture and Consumption in the Meiji Period. London u.a.: Bloomsbury Academic 2018.

Chantal Weber

kulturgesetze.txt · Zuletzt geändert: 2019/06/19 14:24 von cweber6