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Private Kunstsammler in Japan - eine Analyse

„The collector's own satisfaction is not dependent upon the fact of possession. […] Collecting at its best is very far from mere acquisitiveness; it may become one of the most humanistic of occupations, seeking to illustrate, by the assembling of significant reliques, the march of the human spirit in its quest of beauty, and the aspirations that were guide. To discover, preserve, relate, and critize these memorials is the rational aim of the collector.“ (Ficke 1915, S. 409)

Das Ziel eines Sammlers will Arthur Davison Ficke (1883-1945) als Bewahrer, aber auch als Kritiker verstanden wissen. Diese Aufgaben nehmen natürlich auch die staatlichen Einrichtungen wie Nationalmuseen für sich in Anspruch, jedoch können private Sammler, wie Ficke einer war, ihren persönlichen Interessen folgen, und so weniger populärer oder gar vergessener Kunst für die Nachwelt bewahren.

Dieses Wiki stellt einige private japanische Sammler und ihre Museen vor, ohne in irgendeiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Vielmehr wird anhand einiger Personen herausgearbeitet, die bedeutende Sammlungen von Kunstwerken zusammengetragen und diese später in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, wie unterschiedlich die Sammler in ihrer persönlichen Zielsetzung waren. Die ausgewählten Sammler entstammen vor allem der Meiji-Zeit (1868-1912) und der Taishô-Zeit (1912-1926), da diese Epochen als das „Goldene Zeitalter“ für Sammler in Japan bezeichnet wird. Dies liegt vor allem daran, dass diese Epochen von Aufbruchstimmung geprägt waren und sich durch eine vorläufige Abkehr von Althergebrachtem die Chance eröffnete, zum einen Reichtümer und zum anderen Kunstwerke aus vergangenen Zeiten anzuhäufen.

Im Vordergrund stehen die Fragen nach einer möglichen Motivation der Sammler, eigene Sammlungen aufzubauen, sowie warum sie diese zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben. Im Gegensatz zu europäischen Privatsammlungen jedoch, die häufig nach dem Tod des Sammlers der öffentlichen Hand übergeben wurden, so dass beispielsweise die Geburtsstädte des Sammlers ein eigenes Museum für solche privaten Sammlungen erbauten, verbleiben in Japan die Sammelobjekte in privater Hand und werden in einem Privatmuseum ausgestellt. Auffällig ist, dass in vielen dieser Privatmuseen nationale Kulturschätze oder wichtige Kulturgüter zu finden sind. Die Privatmuseen übernehmen damit einen Teil der nationalen Identitätsstiftung Japans.

Motivation für das Sammeln

„Richtig ist, daß bei wenig gehemmten Menschen die Sammelleidenschaft - wie jede andere Leidenschaft auch - der Kontrolle des Verstandes entgleitet und zur Manie werden kann, zu einer krankhaften Besessenheit, die vor nichts zurückschreckt, um das begehrte Objekt an sich zu bringen.“ (Cabanne 1961, S. 10)

Richtig ist allerdings auch, dass die Inbesitznahme von Objekten, der Wunsch nach Besitz, ein tief in der menschlichen Psyche verankertes Bedürfnis darstellt - auch wenn Ficke dies verneinte. Bis sich der gewünschte Gegenstand jedoch im Eigentum des Sammlers wiederfindet, müssen vorausgehende Stufen durchlaufen werden: So ist die Suche nach geeigneten Objekten getrieben von einer angespannten Vorfreude; das Finden stellt dann den ultimativen Glücksmoment dar; die Inbesitznahme, also das Kaufen oder Tauschen, ist die Befriedigung der Sammelleidenschaft. Wenn sich das Objekt dann im Besitz des Sammler befindet, kann es mit Stolz und als Bestätigung von Suchen, Finden und Kaufen zur Schau gestellt werden.

Jedoch beschränkt sich das Besitzen der Gegenstände oder Kunstwerke nicht nur auf die Außenwirkung. Vielmehr baut der Sammler durch die Objekte eine Verbindung auf, die das Überschreiten von zeitlichen und räumlichen Grenzen ermöglicht. Zum einen entsteht eine Beziehung zum Schöpfer des Werks, sei es nun ein Maler, Keramiker oder anderer Künstler; der Sammler identifiziert sich über das Objekt mit dessen Schöpfer. Zum anderen kann der Gegenstand längst vergangene Epochen repräsentieren und den Besitzer so mit diesen verbinden. Der Glanz der Zeit färbt somit auf den Sammler ab.

Die privaten Kunstsammler in Japan befriedigten durch ihre Sammelleidenschaft verschiedene Bedürfnisse. Wenn nicht bereits qua Geburt die Stellung als Mitglied der Elite des Landes gegeben war, so mussten andere Mittel diesen Anspruch vermitteln:

„Kunst zu sammeln, ist Ausdruck kulturellen Niveaus und Reichtums.“ (Ridler 2012, S. 30)

Doch nicht nur Kultiviertheit und Vermögen werden mit den Kunstobjekten zur Schau gestellt, die (neue) Wirtschaftselite, die mittels der Kunst ihre Machtansprüche legitimierte, verspürte auch eine Verantwortung, als Bewahrer der japanischen Kultur und Identität aufzutreten. Die den Objekten immanente Verbindung zu glanzvollen Zeiten der japanischen Geschichte versetzte sie in diese Lage.

Wie weit das Verlangen nach sozialem Ansehen und Prestige nach außen getragen wurde, variiert sehr stark: Wurde die Sammlung lediglich einem ausgewählten Kreis gezeigt, so stand die Anerkennung innerhalb einer Gruppe von Kennern im Vordergrund. Das soziale Kapital, welches laut Bourdieu besonders durch die Anerkennung und Zugehörigkeit zu einer Gruppe gekennzeichnet ist, kann durch eine Kunstsammlung gesteigert werden. Über die Gruppe können dann zusätzliche Ressourcen aktiviert werden, die in anderen Lebensbereichen zur Verfügung stehen.
Mit der öffentlichen Zurschaustellung, beispielsweise in einer Ausstellung oder einem Museum, wird das Prestige in der Öffentlichkeit gesteigert und das symbolische Kapital somit erhöht. Die Kunstwerke sind in jedem Fall Kennzeichen des kulturellen Kapitals des Sammlers, sei in der objektivierten Form, sei es im inkorporierten Zustand als Ausdruck seiner Bildung und Kultiviertheit.

Sammlertypen

Die hier vorgestellten Sammler sind in ihren Biographien sehr divers und können kaum auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Auffällig ist, dass viele der Personen außerhalb der Großstädte Edo / Tôkyô oder Ôsaka geboren wurden, sogar aus ländlichen Gegenden stammten, sich jedoch in ihrer späteren Karriere in einer dieser Städte aufgehalten und gewirkt haben. Die Älteren, die noch in der Edo-Zeit (1603-1868) geboren wurden, standen in der tumultartigen Endzeit dieser Epoche auf unterschiedlichen Seiten, nahmen die Öffnung Japans und die Modernisierung des Landes in der Meiji-Zeit aber als persönliche und nationale Chance wahr. Voraussetzung war jedoch bei allen, dass sie aus Familien kamen, die entweder ökonomisches Kapital besaßen oder aber Bildungsmöglichkeiten eröffnen könnten. Bemerkenswert ist bei dieser Gruppe der älteren Sammler auch, dass sie den Tee-Weg (sadô 茶道) erlernten und darüber ihr Kunstinteresse fanden sowie die Sammlungen zusammenstellten.

Die privaten Kunstsammler Japans lassen sich grob in vier Kategorien unterteilen, wobei auch hier kein Anspruch auf Absolutheit erhoben werden kann:

  1. Die Industriellen sind private Kunstsammler, die vor allem zum eigenen Vergnügen die Sammlungen aufbauten und daraus auch unternehmerisches Kapital schlagen konnten. Dazu zählt vor allem Masuda Takashi 益田孝, dessen Sammlung nicht in ein Museum überführt, sondern größtenteils nach seinem Tod veräußert wurde. Aber auch Kobayashi Ichizô 小林一三 und Kawamura Katsumi 川村勝巳 repräsentieren den Industriellen-Typus des Sammlers, da sie ihr ökonomisches Kapital in Kulturgüter investierten, ohne zunächst weitere Ambitionen zu hegen.
  2. Anders verhält es sich bei dem Typus des Philanthropen. Diese Sammler haben sich schon früh verpflichtet, ihre Sammlungen zum Wohl von Individuen, einzelnen Gruppen oder gar einer Region öffentlich zu machen. Daher finden sich hier auch frühe Museumsgründungen wie von Ôhara Magosaburô 大原孫三郎, dessen Ôhara Museum in Kurashiki das erste Museum mit westlicher Kunst in Japan ist. Aber auch Nezu Kaichirô 根津嘉一郎, Kubo Sôtarô 久保惣太郎, Mizuta Mikio 水田三喜男 oder Gotô Keita 五島慶太 waren der Überzeugung, dass sie in der Schuld der Gesellschaft stehen und daher etwas zurückgeben müssten.
  3. Ähnlich verhält es sich mit den Förderern von Kultur, Kunst und Wissenschaft, gezielt ihr Kapital einsetzen, um verschiedene Bereiche oder Personen zu fördern. Dazu zählen Hosomi Ryô 細見良 (Kultur und Kunst), Ôkura Kihachirô 大倉喜八郎 (Kunst und Kultur), Fujita Densaburô 藤田傳三郎 (japanische Kunst), Hatakeyama Issei 畠山一清 (Wissenschaft), Masaki Takayuki 正木孝之 (Kultur), Yuki Teiichi 湯木貞一 (Kultur) und Kobayashi Ichizô 小林一三 (Kunst). Kobayashi hatte viele Interessen, so dass seine Einordnung sowohl bei der Gruppe der Industriellen als auch bei den Förderern vorgenommen werden kann.
  4. Mit den religiösen Anführer sei hier auf zwei Persönlichkeiten verwiesen, die Sammlungen und in der Folge Museen begründeten, die als Baustein der Gesellschaftsbildung angesehen werden können: Okada Mokichi 岡田茂吉 und Koyama Mihoko 小山美秀子. Auch wenn die Museen auf den ersten Blick nicht den religiösen Sekten verbunden scheinen, sind sie in ihrer Gesamtkonzeption dem Glauben angepasst.

Mit Blick auf ihre unternehmerischen Aktivitäten sind die Personen jedoch anders zu verorten. Legt man die Kategorien nach Hirschmeier zugrunde, der 50 Persönlichkeiten aus der Wirtschaft der Meiji-Zeit analysierte, können die Sammler wie folgt unterteilt werden:

Da die beiden Typen zwei Enden einer Skala bilden, gibt es auch Personen, bei denen sich lediglich Tendenzen ablesen lassen.

  • Semi-romantischer Typ: Hier liegt eine eher romantische Ausrichtung vor, die sich darin ausdrückt, das zwar in mehr als eine Branche in unterschiedlichen Sektoren investiert wird, aber es sich zahlenmäßig um wenige handelt. Bei Masaki Takayuki, der ein Ingenieurbüro hatte, aber auch Kinos betrieb, kann daher keine klare Einordnung vorgenommen werden.
  • Semi-klassischer Typ: Auch bei diesem Typus kann lediglich eine Tendenz festgestellt werden. Die eher klassische Ausrichtung drückt sich durch Firmengründungen in unterschiedlichen Branchen des sekundären, industriellen Sektors aus. Dazu gehören hier Ôkura Kihachirô und Fujita Densaburô.

Es ist zu erkennen, dass Sammler, die sich dem romantischen Typus zuordnen lassen, entweder in die Kategorie der Industriellen oder der Philanthropen fallen. Im Gegensatz dazu lassen sich die religiösen Anführer und die Förderer von Kunst, Kultur und Wissenschaft hauptsächlich dem semi-klassischen und klassischen Typus zurechnen. Daher kann die Vermutung angestellt werden, dass Sammler, die aus einer ökonomischen bzw. politischen oder einer sozialen Motivation heraus Kunst gesammelt haben, eine wirtschaftlich risikoreichere und erfolgsorientiertere Unternehmerbiographie zeigen.
Sammler, die dem semi-romantischen oder romantischen Typus zu zuordnen sind, weisen das Verlangen nach stabilen wirtschaftlichen Grundlagen zur Verfolgung ihrer Ziele wie Religion oder Kunstförderung auf.

Die Tätigkeit des Kunstsammelns kann daher nicht für alle Sammler gleich bewertet werden: Sammler des romantischen oder semi-romantischen Typs betreiben das Kunstsammeln für einen höheren Zweck, das bedeutet, dass für sie nicht das Sammeln von Kunst selbst als größte Priorität galt, sondern die Tätigkeit sie einem anderen, höheren Ziel näherbrachte. Für die anderen Sammlertypen war das Kunstsammeln selbst das Ziel, also das vorher konstatierte Besitzen zum eigenen Vergnügen.

Netzwerke der Sammler

Trotz ihrer biographischen und unternehmerischen Diversität standen die Sammler unter einander in Kontakt. Besonders das gemeinsame Interesse am Tee-Weg und die damit verbundenen Möglichkeiten des Austauschs und Vergleichen von Kunstgegenständen verhalf den Sammlern auch bei unternehmerischen Angelegenheiten zur Kommunikation. Hier läßt sich Bourdieus Theorie der Kapitalumwandlung sehr gut nachvollziehen: Durch die Bildung von kulturellem Kapital kann soziales und symbolisches Kapital aufgebaut werden, welches sich letztendlich auch in ökonomischem Kapital niederschlägt.

(Zum Vergrößern Abbildung bitte anklicken!)

Das hier vorgestellte Netzwerk der Kunstsammler kann nicht vollständig sein, da dazu wesentlich mehr Daten ausgewertet werden müssten. Allerdings lassen sich hier bereits einige Tendenzen ablesen.
Die beiden Industriellen Kobayashi Ichizô und Masuda Takashi weisen die meisten Kanten auf und kristallisieren sich als sogenannte Hubs heraus. Gemeinsame Bekanntschaften sind Hatakeyama Issei, Gotô Keita und Nezu Kaichirô. Auffallend ist, dass diese beiden zentralen Personen vielfältige Beziehungen pflegten, nicht nur in Kunstsammlerkreisen, sondern auch in Politik und Unternehmertum. Kobayashi pflegt beispielsweise Verbindungen zur Mitsui-Familie, bei der im übrigen Masuda als Direktor tätig war, und mit dem Kunstsammler Yuki Teiichi. Masuda hingegen hat Beziehungen zu dem Unternehmer Shibusawa Eiichi 渋沢栄一 (1840-1831) sowie den Sammlern Ôkura Kihachirô und Fujita Densaburô, dem Politiker Inoue Kaoru 井上馨 (1836-1915) und dem Philosophen und Aufklärer Fukuzawa Yukichi 福沢諭吉 (1835-1901).
Kubo Sotarô und Hosomi Ryô sind zwar nicht Teil des größeren Netzwerks, kennen sich aber untereinander, vermutlich da sie beide eine (Baum-)Wollspinnerei in der Kansai Region betrieben. Auch Koyama Mihoko und Okada Mokichi pflegten eine Beziehung, da Koyama als Ôkadas Schülerin seine Glaubenslehren verfolgte. Ôhara Magosaburô hatte keine nachweisbare Beziehung zu anderen Kunstsammlern, aber dafür zu den Sozialisten Yamakawa Hitoshi 山川均 (1880-1958) und Ishii Jûji 石井十次 (1865-1914). Allein Mizuta Mikio und Kawamura Katsumi scheinen nicht gut vernetzt gewesen zu sein.

Museumsgründungen

Ca. 90% der Museumsgründungen weltweit erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg. (vgl. Baur 2012, S. 27) So ist dieser Trend auch in Japan zu beobachten; die meisten der in diesem Wiki vorgestellten Museen wurden in der Nachkriegszeit etabliert. 1951 wurde in Japan eigens ein Museumsgesetz (Hakubutsu hô 博物館法) erlassen, wonach Museen die Aufgabe haben, zur kulturellen Bildung der Gesellschaft bei zutragen. Die japanische Gesetzgebung orientiert sich damit eng an dem Grundsatz des International Council of Museums (ICOM), welches seit seiner Gründung im Jahr 1946 sich mit der Definition von Museum als Institution beschäftigt. In den Statuten aus dem Jahr 2007 wird Museum wie folgt definiert:

„A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.“ (ICOM 2007, Internetquelle)

Die Gründe von Privatpersonen ihre Kunstsammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen können recht unterschiedlich sein.

Fazit

Quellen

  • BAUR, Joachim (Hrsg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes. Bielefeld: transcript 2012.
  • CABANNE, Pierre: Die Geschichte grosser Sammler. Von der Liebe zu grossen Kunstwerken und der Leidenschaft sie zu sammeln. Bern, Stuttgart, Wien: Scherz 1961.
  • FICKE, Arthur Davison: Chats on Japanese prints. London: T.F. Unwin 1915.
  • HIRSCHMEIER, Johannes: The origins of Entrepreneurship in Meiji Japan. Cambridge: Havard University Press 1964.
  • RIDLER, Gerda: Privat gesammelt - öffentlich präsentiert. Über den Erfolg eines neuen musealen Trends bei Kunstsammlungen. Bielefeld: transcript 2012.
  • SATÔ, Dôshin: Modern Japanese art and the Meiji state. The politics of beauty. Los Angeles: Getty Publications 2011.

Leonie Bätz, Sarah Berg, Paula Flemmig, Michaela Pail, Anna Rudinski und Chantal Weber

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